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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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versuchte es noch einmal. »Aber verstehst du denn nicht? Jede Woche ein sogenannter Unfall! Alle im Umfeld der Produktion. Erst der PR -Chef, jetzt sogar eine Kandidatin … was kommt als Nächstes? Die Jury?«
    Das wäre nun – Tanyas Gefühl nach – der absolut richtige Moment für eine sorgenvolle mütterliche Reaktion gewesen. Aber wie immer hielt sich ihre Mutter nicht an das fernseherfahrene Gefühl für Dramaturgie ihrer Tochter. »Den Marco Deutz bringt niemand um, dat is zu gefährlich. Da haste wahrscheinlich die Mafia UND den BND am Hals. Allerdings beim Pitterchen – wenn der mal rülpst, brauchst nur ’ne Flamme dranhalten, dann explodiert der! Verstehst du – wegen dem Alkohol!«
    Das Einzige, was Tanya noch müder machte als die Witze ihrer Mutter, waren die nachträglichen Erklärungen. Es war offensichtlich sinnlos, in ihr eine Verbündete zu suchen. Oder jemand, der sie verstand. Sie würde jetzt ins Bett gehen.
    Als sie wenige Minuten später in ihrem alten Kinderzimmer lag, das es erstaunlicherweise komplett im Originalzustand in das neue Haus geschafft hatte (vielleicht wollte ihre Mutter später mal daraus ein Museum machen und Führungen veranstalten …), starrte Tanya noch ein wenig auf ihre alten Kim-Wilde-Poster und sinnierte. Mit irgendjemandem musste sie ihre Gedanken teilen, sonst würde sie durchdrehen. Aber es musste jemand sein, der nicht zu viel mit dem ganzen Zirkus zu tun hatte und dem sie wirklich vertraute.
    Vor ein paar Wochen hätte sie nicht gewusst, wer das außer ihrer Mutter sein könnte. Aber jetzt gab es tatsächlich noch jemand.

KAPITEL 16
    Mit Nils im Stadtpark spazieren zu gehen, fühlte sich für Tanya gleichzeitig neu, aber irgendwie auch schon vertraut an. Zufrieden nahm sie Schluck für Schluck von ihrem Latte to Go aus dem Pappbecher, während sie zusah, wie moderne Mütter leicht hysterisch ihren hochsensiblen Kindern die Designerrucksäcke nachtrugen. Tanya zelebrierte und genoss ihr urbanes Leben immer extrem, wenn sie aus dem Provinznest ihrer Kindheit kam. Der Kaffee kam ihr vor wie ein Symbol – modern living statt Jacobs Krönung. Und: Sie hatte gerade alle die Fragen, die ihr zu den sogenannten Unfällen rund um die Produktion durch den Kopf gingen, noch einmal gestellt, und dieses Mal hatte man ihr endlich zugehört. Nils war sogar sehr ernst und schweigsam geworden nach ihren Ausführungen und stellte nun die logische Frage, die auch Tanya schon die ganze letzte Zeit im Kopf herumging: »Solltest du damit nicht zur Polizei gehen?«
    »Ich hab so wenig in der Hand«, sagte Tanya. »Die medizinischen Befunde haben jedes Mal eindeutig einen Unfall bestätigt, und nur weil es jetzt schon vier Unfälle sind – vielleicht ist das bei so extremen Menschen im Showbusiness doch nicht ungewöhnlich. Zu viele Drogen, zu viel Stress und zu schnelles Motorradfahren – irgendwie müssen die Leute ja die Anstrengung verarbeiten, die dieses Geschäft mit sich bringt. Verstehst du, ich habe einfach keine Beweise für mein Gefühl.«
    »Wie verarbeitest du eigentlich selber die Anstrengung deiner Arbeit?« Nils nahm vorsichtig ihre Hand, und es fühlte sich gut an. »Immer angestarrt zu werden, immer unter Beobachtung«, er deutete auf zwei kichernde Teenagermädchen, die ungelenk versuchten, ein heimliches Handyfoto von Tanya aus sicherer Distanz zu schießen, »wo steckst du das alles hin?«
    »Gute Frage«, sagte Tanya und dachte »doofe Frage«. Es war immer genau diese, immer dieselbe Frage, die Menschen ihr stellten, die nicht in ihrer Branche arbeiteten. Deswegen hatte sie oft gedacht, sie könnte nur mit jemand zusammen sein, der ebenfalls aus dem Showbiz wäre. Der den Druck, der aber auch die Belohnungen verstand. Aber wenn sie dieses Modell versucht hatte, war es größtenteils genau daran wieder gescheitert. Die für Beziehungen miserablen Arbeitszeiten, die vielen Reisen, die vielen Hotelzimmer – damit war es fast unmöglich, Zeit füreinander zu finden. Besonders die in Amerika so schön benannte »Quality Time« – Qualitätszeit, in der man nicht alle Details der letzten Arbeitswoche während eines kurzen Abendessens besprechen musste und auch nicht direkt sofort ins Bett fallen musste, damit man am Morgen wieder frisch in einen Flieger steigen konnte. Das hatte jede aufkeimende Beziehung der letzten Jahre gekillt …
    Tanya zuckte zusammen und warf einen schnellen Blick auf Nils, der immer noch auf eine Antwort wartete. Waren ihre Gedanken

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