Mörder Quote
sie lachte aus vollem Hals. Diese Absurdität hatte ihr an diesem Tag noch gefehlt, um das Gemisch aus echter Trauer und dunklen Zweifeln wegzuwischen. Diese Show und alles um sie herum war ein Zirkus und sonst nichts. In jedem Zirkus gab es Unfälle, aber abends war wieder Vorstellung. Und in jedem Zirkus gab es attraktive junge Männer, die immer den roten Manegenteppich ausrollten. Sie wechselte einen Blick mit Nils und lächelte ihm ganz offen zu. Und diesmal war es ihr egal, ob Marco oder die Kameras anwesend waren. Die News des Tages waren ganz andere.
KAPITEL 18
Sascha ließ seine große pinke Gaga-Sonnenbrille am nächsten Tag extra lange auf, um die Masse der Journalisten bei den Proben ein bisschen zu beeindrucken. Der neue PR -Chef hatte nach der gestrigen Pressekonferenz die heutigen Proben schnell für die Presse freigegeben. Er wusste, dass Chantals Anklage gestern und die Fatima/Nesrin-Retourkutsche plus der Catfight pures PR -Gold gewesen waren. Und das perfekte Gegengift zu den Xena-Nachrufen, die seit Samstag ausschließlich erschienen waren und das Image der Sendung langsam von »Eine Party für den Star von morgen« in »Eine Leichenhalle für den Star von gestern« zu drücken drohten. Auf jeden Fall hatte heute jeder anwesende Journalist etwas zu schreiben, egal ob »Wie gehen die Kandidaten bei den Proben mit dem Trauerfall um?« für Tina und Goldenes Blatt bis zu »Transe gegen Türkin« für alle bunten Blätter, die von dem mitfühlenden Ton schon wieder zur fröhlichen Freakshow umgestiegen waren.
»Das Kopftuch fällt – und damit die letzten Hemmungen!«, war eine von Saschas Lieblingsschlagzeilen am Morgen gewesen. Gefolgt von »Wenn Frauen hassen! Aber welche ist echt?«
Ihn wurmte nur, dass er selber in keiner Schlagzeile vorkam. Er hatte zwar noch kurz überlegt, ob er sich minderheitensolidarisch auf Chantals Seite schlagen und die Homophobie im Islam thematisieren sollte. Aber das hätte ihm höchstens ein paar Internetsätze auf gut gemeinten Politseiten eingebracht und nicht die großen Buchstaben der wichtigen Presse, auch nicht der vermeintlich seriösen. Selbst Spiegel Online hatte mit dem Klassiker »Schamlos TV – wo hört der Spaß auf?« aufgemacht. Auf Platz zwei war ein Erdbeben in Asien mit 5000 Toten gelandet.
Außerdem fand Sascha die neue Fatima alias Nesrin prima. Mit nicht enden wollender Frische sprudelte die ehemalig so wortkarge Kopftuchmaus nun schon den ganzen Morgen in Interviews einen wilden Mix heraus, der irgendwo zwischen Helene Hegemann on Speed und Post-Religion-Post-Gender-Post-Feminismus-Post-Post-Post-Prosa anzusiedeln war. Sascha hatte insgeheim dem ganzen Vorfall bei der Pressekonferenz den Namen »Chantalotl Roadkill« gegeben. Aber das half seinem Profil in der Show jetzt auch nicht weiter. Er musste dringend stärker agieren.
Vor allem auch, wenn er an das Lied dieser Woche dachte. Beim Thema Duette wäre so viel möglich gewesen, aber er war ausgerechnet zu Mike D und »Walk this way« verdonnert worden. Der Effekt war klar – Tunte gegen Macho –, aber er hasste diesen Typen, dieses Lied und die ganze Idee. Außer ein paar gut gesungenen Noten in seiner obersten Lage war für ihn da nichts drin. Vielleicht müsste sein Outfit es bringen. Er dachte kurz an Björks berühmtes Schwanenkleid von der Oscarverleihung. Aber vielleicht würde Mike D dann den Schwan schlachten. Zumindest guckte er gerade so.
Sascha sah nach links, auch Lilly hatte diese Woche ein schweres Los gezogen, obwohl »Beauty and the Beast« mit Mephisto wenigstens inhaltlich völlig Sinn machte. Und es klang auch gut, so viel hatte Sascha schon mitgekriegt. Mephisto warf seinen Dramabass an, und Lilly war die pure Elfe. Das würde Punkte regnen, egal für wen der beiden. Der Höhepunkt der Show würde aber natürlich das Duett, vielmehr das DUELL Chantal/Nesrin darstellen. Mit atemberaubendem Instinkt und hemmungslosem Showgespür hatte die Produktion die beiden sofort nach der Pressekonferenz zu »Enough is Enough« von Donna Summer und Barbra Streisand verdonnert. Ein Titel, der grundsätzlich Chantals großen Discogefühlen entgegenkam, aber in dem auch Nesrin ihre solide Stimme glänzen lassen konnte. Und ganz Deutschland wollte natürlich sehen, welche Dramaqueen aus diesem Duett siegreich hervorgehen würde. Marco Deutz hatte es auf seinem Blog schon als »Bitch Fight des Jahres« angekündigt. Diese Nummer würde von der Reihenfolge her also sicher als dritte
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