Mörder Quote
schaukelnden Laterne. »Tanya? Was ist los?«
Tanya konnte sich nicht zurückhalten. Wie aus einem großen Strom brach es aus ihr heraus. Tränen und noch mehr Tränen. »Bring mich nach Haus!«, flüsterte sie. »Bitte schnell nach Hause!«
KAPITEL 20
Sascha stand während des Warm-ups seitlich in den Kulissen und checkte wie immer das Publikum. Es war wieder Samstag, also Liveshow-Abend, und er verglich seinen Fanblock in Größe und Ausstattung mit denen der anderen Kandidaten. Die Produktion achtete zwar darauf, dass die Blocks immer ungefähr gleich groß waren, aber ein paar Unterschiede konnte man schon erkennen. Zum Beispiel, ob nur Angehörige und Freunde Transparente und Schilder in die Luft hielten oder auch Menschen, die man gar nicht kannte. Das waren dann schon echte Fans. Wenn man während des Liedes in deren Richtung sang, fingen sie an zu schreien und zu kreischen, was die Kameras nur zu gerne auffingen. So etwas kam ins Bild und übertrug sich auf die Zuschauer zu Hause. Sascha stoppte kurz – war er eigentlich zu perfektionistisch geworden in seinem Ehrgeiz? Zu hemmungslos in seinem Willen zu gewinnen? Nein, er war sich sicher, Madonna, Gaga und Britney hatten genauso gedacht und gehandelt. Taten es immer noch.
Und deshalb war er, Sascha, unter den letzten sechs Kandidaten.
Er war überhaupt sehr zufrieden mit sich, seit er Marco beim Bergfest am Mittwoch im Suff wirklich den Songtausch abgehandelt hatte. Er hatte sich den ganzen Abend darauf konzentriert und nicht nur auf Argumente gesetzt, sondern vor allem Marcos Tequila-Input genau beobachtet. Im richtigen Moment hatte er sich dann den Chef geschnappt und nach zehn Minuten Diskussion den Song »Walk this way« gegen »Beauty and the Beast« getauscht. Marco wusste natürlich genau wie Sascha, dass er und Lilly Balladenprofis waren und als das perfekte Traumpaar sehr disneyhaft rüberkommen würden. »Das klappt, auch wenn du ’ne Schwuchtel bist!«, musste Marco natürlich noch dazurülpsen.
Sascha war vorbereitet gewesen, der Konter hatte ihm keinerlei Mühe bereitet.
»Das hat beim Thema ›Traumpaare‹ in Hollywood ja wohl noch nie jemand gestört!«
Daraufhin musste Marco lachen und hatte ihm mit einem erbärmlichen High Five und einem abschließenden »Dann hab ich aber was gut bei dir!« den Songwechsel genehmigt. Dieser letzte Satz machte Sascha zwar immer noch ein bisschen nervös – er ahnte schon, dass sich Marco, Sufflevel hin, Sufflevel her, an so einen Satz erinnern und ihn vermutlich an geeigneter Stelle benutzen würde wie ein Ass beim Skat – aber erst mal war er happy.
Er und Lilly hatten schon bei der Probe spontanen Applaus von den Kabelhilfen und Lichtdoubles bekommen, während Mephisto hinten in den Kulissen noch immer verzweifelt den blöden Rap probte. Die Nummer würde Sascha weiter nach vorne bringen, davon war er überzeugt. Und das war alles, worum es jetzt ging.
Neben sich sah er Tanya Beck. Sie saß auf einem Stuhl und konzentrierte sich auf ihren Auftritt. Selbst die Schminke konnte nicht überdecken, wie blass sie war. Sie war seit dem Bergfest am Mittwoch krankgeschrieben gewesen, so hieß es jedenfalls. Selbst die Generalprobe nachmittags hatte sie sausen lassen und war direkt von zu Hause ans Set gekommen. Entweder war sie wirklich krank oder dieser niedliche Typ, mit dem sie jetzt wohl offiziell zusammen war, tat ihr doch nicht gut. Oder vielleicht hatte sie auch auf dem Schiff zu viel getrunken. Am Schluss waren ja alle sehr betrunken gewesen. Sogar seine neue Lieblings-Duett-Partnerin Lilly. Sie war so aufgekratzt gewesen wie noch nie vorher, hatte wild auf Techno getanzt und einmal sogar an Pitterchen einen erotischen Hip-Hop-Arschtanz gemacht, der den völlig außer Fassung gebracht hatte. Die Lilie war einen Abend lang zur Schwertlilie geworden. Aber Sascha schrieb das dem Tequila zu – denn Lilly hatte ihm am nächsten Tag bei der Probe mit hängenden Lidern gebeichtet, dass sie dieses Getränk vorher noch nie getrunken hatte. Am Ende des Abends hatte es sogar eine ungewöhnliche Knutscherei gegeben – Nesrin, die neue, jetzt enthemmte Muslima, hatte mit Mike D rumgeknutscht … Vielleicht arbeitete sie ja an ihrem nächsten Projekt »Prolo 3000«, in dem sie sich als Lady-Rapperin mit Mike in die Strafvollzugsanstalt begeben würde und von dort aus bloggte. Egal, Sascha gönnte es ihr. Mike D jedoch gönnte er gar nichts. Überhaupt – warum war eigentlich dieser Schmalspur-Eminem noch
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