Mörder Quote
und letzte in der Show kommen, Lilly und Mephistos getragene Ballade in der Mitte, und er und Mike müssten mit diesem blöden Rock Rap anfangen, um die Herzen der heterosexuellen männlichen Teenager vor den Bildschirmen zu begeistern. Die sowieso viel seltener zu den Telefonhörern griffen als die Mädchen. Es war zum Haare raufen!
In einem Wutanfall donnerte Sascha seine Noten und seine Wasserflasche in die Ecke des Probenraumes. Wenn er sauer war, musste er oft etwas schmeißen. Diese Ausbrüche trauten ihm viele seiner flüchtigen Bekannten nicht zu, aber gute Freunde wussten, dass der kleine niedliche Popboy durchaus zu unkontrollierten Aggressionsschüben neigen konnte. Diverse Voodoo-Puppen von Marco Deutz samt Stricknadeln, die unter seinem Bett im Hotel lagen, konnten das bezeugen.
Sascha überlegte kurz, ob er sich einfach weigern sollte, das Duett zu singen. Es gab Gründe genug: Mike war homophob, vorbestraft und roch aus dem Mund – das wäre ja schon mal der Anfang einer Argumentation. Aber er konnte sich genau vorstellen, wie Marco sich vor ihm aufbauen und aus allen Rohren schießen würde: Er solle nicht so eine Memme sein, das wäre ein Spitzensong, und was für Aerosmith und Run DMC gut genug gewesen wäre, würde ja auch für ihn reichen. Nein, es hatte keinen Sinn – wenn, dann müsste er die Sache geschickter einfädeln. Vielleicht heute Abend – Marco Deutz gab sein legendäres Bergfest und hatte alle Kandidaten und Mitarbeiter der Show auf seine Jacht eingeladen. Die Staffel war zur Hälfte rum, nur noch sechs Kandidaten waren im Spiel und – Xena hin, Xena her – man musste die Feste feiern, wie sie fallen. Das hatte Marco dem ganzen Ensemble am Morgen verkündet.
Ja, dachte Sascha bei einem Rundblick durch den Probenraum. Die Party war seine einzige Chance. Marco musste ihm einfach »Beauty and the Beast« überlassen und die beiden Bullen Mike und Mephisto in der Rap Battle aufeinanderhetzen. Denn sonst war Saschas Top-Drei-Position in der Show ernsthaft bedroht.
KAPITEL 19
Tanya stand an der Reling der Jacht von Deutschlands beliebtestem Jurychef und wartete auf Nils. Dass sie ihn mit zu Marcos Party genommen hatte, hatte sie am Morgen aus ihrem Bauchgefühl heraus entschieden. Natürlich würde sie sich den ganzen Abend Marcos und Pitterchens dumme Sprüche anhören müssen, aber sie war jetzt bereit dafür, und sie vertraute Nils, dass er sich auch in dieser glitzernden MTV -Kulisse nicht verrückt machen lassen würde. Außerdem: Sie hasste Marcos »Bergfeste« mit Inbrunst und brauchte einen schlauen Sympathisanten, der das alles mit ihr nachher durchsprechen und weglachen würde – den neureichen Protz und das abendfüllende Egoschaukeln des Gastgebers durch die Untergebenen, sprich Gäste. Sie wollte nur so kurz wie möglich bleiben.
Tanya atmete tief durch. Was für ein Kontrast zwischen der ruhigen Sommernacht auf dem Rhein und dem »prunkelnden« Getue direkt hinter ihr! Sie hatte schon vor zwei Staffeln für Marcos Stil das Wort »prunkeln« erfunden – eine Mischung aus »protzen« und »funkeln«.
Alles an und um Marco »prunkelte« – seine Klamotten, seine Autos, seine Frauen, sein Boot. Was nicht glitzerte, war nichts wert – mit dieser Haltung (die Marco eigentlich mit jeder Homeshopping-Hausfrau teilte, die sich gerne Swarovski-Steine aufs T-Shirt bügelte) war Marco inzwischen weit gekommen und zierte Cover der deutschen GQ oder des STERN . In zu engen T-Shirts von Ibiza-hafter Farbigkeit und immer ein bis zwei Glitzersteinchen zwischen Uhr, Brust und Ohr. Eigentlich – und ab und zu musste Tanya darüber wirklich lachen – sah Marco Deutz, Deutschlands Superbulle Numero Uno, wahnsinnig schwul aus. Die echten Schwulen wie Sascha waren inzwischen konservativer gekleidet – auch heute Abend war Sascha in einem eleganten hellgrauen Anzug gekommen –, während die Hetero-Machos immer mehr aussahen wie eine Resterampe auf Mykonos. Dazu passte natürlich auch genau dieses Boot. Viel zu groß, viel zu gold an den falschen Stellen und viel zu viele Sitzgelegenheiten, in die man einsank wie in eine Düne bei Sandsturm – all das machte aus dieser offensichtlichen Schwanzverlängerung für Tanya weniger ein Symbol für Männlichkeit als ein Symbol für Kindlichkeit. Es war eigentlich ein blinkendes Kinderzimmer, das hier auf dem stillen schwarzen Rhein schwamm, und nicht ein Schloss. Nur die überall herumlaufenden Loreleys, die oft nichts am Körper zu tragen
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