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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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im Rennen? Er war bestimmt nicht der Mädchentyp für die Anrufe da draußen – es konnte höchstens sein, dass er Marcos Typ war. Marcos Kommentare zu Mike D waren immer eher positiv und seine Vorliebe für wilde Jungs bekannt. Vielleicht hatte Marco Deutz auch mal ein richtig cooler Rapper sein wollen anstatt ein Weichspül-80er-Jahre-Synthie-Popper. Auf jeden Fall hatten die beiden am Mittwoch nicht nur pausenlos Tequilashots gekippt und ungelenke Mädchen an Marcos extra in die Bar eingebauten »Poles« zum Stangentanz gehetzt – sie waren auch ziemlich lange zusammen verschwunden gewesen. Vielleicht hatten sie nur gekokst – vielleicht aber auch schon Verträge gemacht. Egal: Mit »Walk this Way« war heute für den Herrn Michael D nichts sicher, das war Sascha klar. Der Titel konnte sich heute Abend durchaus als Ausgangsschild entpuppen.
    Im Publikum draußen wurden vereinzelte Buhrufe laut, ein kleiner Tumult entstand. Sascha schob seinen Vorhang zurück und sah den bekloppten Uwe in einer der hinteren Reihen stehen. Er schwenkte wirklich eine Deutschlandfahne und wurde jetzt von den Ordnern aus dem Saal geschafft. Anscheinend hatte sich der stramm rechte Ex-Kandidat ins Publikum geschummelt.
    Na ja, dachte Sascha. Nur Neonazis können so blöd sein, schon im Warm-up zu randalieren! Zehn Minuten später im Opening hätten es Millionen gesehen, so nur ein paar entgeisterte Studiozuschauer, die sich auf die Show freuten und nun schon wieder jubelten. Denn jetzt trat das Pitterchen auf, fiel um, und damit begann wie immer die Show.
    Tanya segelte durch den Abend, immer noch wie betäubt. Zwei Tage lang hatte sie im Bett gelegen und sich überlegt, ob sie den Angriff melden sollte. Der Polizei, der Produktion, der Presse – irgendjemandem. Zwei Tage lang hatte sie – während Nils aufopfernd Hühnersuppe kochte und ihr keinen Moment von der Seite wich – die Folgen überlegt: Die Polizei würde Marcos Jacht untersuchen, ihre Glaubwürdigkeit anzweifeln, das Ganze würde ein Riesenskandal werden und übrig bleiben würde – nichts. Denn was konnte sie schon beweisen? Dass jemand sie gegen eine Reling gedrückt hatte? Die blauen Flecken am Rücken konnte sie sich auch beim Sport geholt haben.
    Niemand war Zeuge des Vorfalls gewesen, keiner konnte ihre Aussage bestätigen. Nils plagten immer noch schreckliche Gewissensbisse, dass er sich an der Bar in ein Gespräch mit dem total besoffenen Pitterchen hatte verwickeln lassen und so lange weg gewesen war. Aber auch er hatte niemanden gesehen, und eine Aussage ihres neuen jungen Lovers würde nur einen Effekt haben: ihn, Nils, auf jedes Cover jeder Zeitung der Nation bringen. Und damit noch das Einzige gefährden, was sie in den letzten Tagen überhaupt hatte trösten können – ihr brandneues Glück mit einem Mann, der Gott sei Dank nicht in der Öffentlichkeit stand.
    Nein, sie hatte einen anderen Entschluss gefasst. Während sie an ihrem Pult saß und Mephisto ins Gesicht sah, wie er versuchte zu rappen und zu rocken, dachte sie nur an eins: Heute würde er ihr nicht entkommen!
    Natürlich hatte auf der Jacht wirklich jeder seine Maske aufhaben können, aber mit diesem Typ stimmte einfach etwas nicht, das hatte sie von Anfang an gespürt. Und: Er war in der Nähe gewesen, als Xena verunglückt war. Ihm würde sie heute als Erstem auf den Zahn fühlen! Sie musste jetzt aktiv werden. Sie war das Ganze mit Nils zusammen (der sich als Columbo-Fan herausgestellt hatte und sehr gerne Strategien durchdachte) am gestrigen Abend genau durchgegangen: Tanya würde sofort nach Erlöschen des letzten Kamerarotlichtes losspurten, während Nils an dem einzigen Studioausgang im Auto wartete, der für Mephistos Exit infrage kam. Dann würden sie beide ihm folgen und endlich herausfinden, wer oder was dieser Typ war.
    »Ich fand es heute nicht so stark, Mephisto!« Sie musste diesem Mann ins Gesicht sehen, während die Kamera jedes Gefühl von ihrem Gesicht ablas, aber sie war vorbereitet. Innerlich war sie ganz kalt. »Du bist zwar sonst gut bei großen Rockgefühlen, aber dieser Song lag dir einfach nicht.« Neutraler konnte man das nicht formulieren. Niemand konnte erkannt haben, was unter der Fassade vor sich ging, nicht einmal ihre Mutter. Mit ihrem professionellsten Lächeln moderierte sie weiter zu Pitterchen.
    Pass nur auf, du Mistkerl!, dachte sie, sobald sie aus Mephistos Achse und aus dem Bild war. Heute bist du dran.

KAPITEL 21
    Zwei Stunden später lag die Show

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