Mörder Quote
fragte er. »Wir können so ein unübersichtliches Gelände wie diese Show nicht hundertprozentig absichern, geschweige denn das Privatleben aller Kandidaten und Mitarbeiter.«
Marco stand nun auf und stützte die Hände auf den Tisch wie in einem B-Movie. »Ich glaube, ich spreche im Namen der gesamten Chefetage von Music Star 3000« – damit meinte er sich, auch wenn er jetzt die anderen ansieht, dachte Tanya, in deren Magen es immer mehr rumorte – »wenn ich sage, dass jedem freigestellt ist, zu gehen, wann immer er will. Wir werden niemand aufhalten! Aber …« – und hier machte er eine seiner gefürchteten Kunstpausen und zündete sich tatsächlich eine Zigarre an – »man hat schon viel über Marco Deutz gesagt und geschrieben, aber eines noch nicht: Ich bin kein Weichei!« Damit setzte er sich wieder hin, und das besoffene Pitterchen fing doch tatsächlich an zu klatschen. Tanya war jetzt richtig schlecht.
»Wie Sie meinen«, sagte der Kommissar. »Das ist natürlich Ihre Entscheidung.« Er packte seine Sachen zusammen, aber seine Miene war nun nicht länger verblüfft. Er sah ganz klar besorgt aus. »Wir werden unser Möglichstes tun, den Fall schnell aufzuklären. Wenn jemand noch etwas einfällt, ich lasse meine Handynummer da. Guten Tag!«
Während der Kommissar und seine Leute den Sitzungsraum verließen, beobachtete Tanya, wie Marco – fast gemütlich – seine Zigarre paffte. Er wirkte tatsächlich zufrieden. Und Tanya hoffte in diesem Moment, nein, sie betete, dass dieser Trottel nie in die Politik gehen würde. Deutschland war zwar noch nicht Amerika, aber alles war möglich. Sie schwor sich, dass sie dieses Land auf der Stelle verlassen würde, wenn solche Typen wie Marco Deutz noch mehr Macht über Menschen bekämen.
Als Tanya zur Beruhigung Nils anrufen wollte, sprang nur seine Mailbox an, genauso wie schon den ganzen Tag lang. Seit dem Abschied vor dem Weinlokal hatten sie sich nicht mehr gesprochen. Als letztes Mittel ging sie in ihrem Smartphone schnell auf seine Facebook-Seite und checkte, ob irgendwelche Nachrichten von Freunden auf seinen aktuellen Aufenthaltsort hinwiesen. Aber auch da war es wie immer sehr unbelebt. Seine Grundangaben nahmen den meisten Platz auf der Seite ein – hier musste sie jedes Mal über seinen wilden Hobbymix lächeln – von Freeclimbing bis Columbo, von Margaritas bis zum überraschenden Schach. Und es gab einen neuen Button – Miss T.
Wie süß – bestimmt eine Art Poesiealbum über Tanya. Sie clickte schnell drauf, und während sich die Fotogalerie hochlud, sah sie unten die Menge der Fotos hochzählen. 551! 551 Fotos von ihr. Nur von ihr. Aus allen Zeiten! Wie ein Archiv ihrer gesamten Karriere sah sie sich auf allen roten Teppichen der letzten zwanzig Jahre stehen. Schnell schloss sie die Datei wieder und atmete tief durch.
Das war kein Poesiealbum, das war ein Altar. Er war ein Fan gewesen, das wusste sie ja, aber das hier – das war doch … ziemlich extrem. Als sie sich ausloggen wollte, fiel ihr Blick auf die Rubrik »Beziehungsstatus«, und sie stutzte noch einmal. Er hatte »Es ist kompliziert« angekreuzt.
War es das für ihn? Was war passiert?
KAPITEL 24
Die Proben, die wie üblich am Montagnachmittag stattfanden, waren für Sascha gespenstisch. Selbst er, der aus Hunderten von Starbios wusste, dass jede blöde Show »always on« gehen musste, fand es pervers, im Klima eines Hochsicherheitstraktes fröhliche Popsongs zu proben. Überall im Gebäude wimmelte es von Polizei und der internen Securitytruppe. Der Probensaal war gesäumt von düster blickenden Muskeltypen mit Waffen am Gürtel. Auch das Thema »Disco« war für diese Woche denkbar ungeeignet, aber die Produktion hatte sich entschlossen, nicht wieder eine Balladen-Sendung zu machen.
»In dunklen Zeiten brauchen wir Licht«, hieß es in der schnell rausgehauenen Pressemeldung, die sofort im Internet veröffentlicht worden war und immer lyrischer und unsachlicher wurde, je länger sie ihre Kreise zog. »Disco und Soul geben den Menschen Freude. Und Freude können unsere Kandidaten wie auch das Publikum gerade aufgrund der tragischen Vorfälle in diesen dunklen Zeiten gut gebrauchen. Wir werden im Andenken von Xena und Mephisto jedoch darauf achten, dass die Titel geschmack- und pietätvoll ausgewählt werden.«
Das hatte nicht ganz geklappt, fand Sascha, denn einige Aussagen zum Thema Überleben in den Songs konnte man doch als ziemlich zynisch werten. So hatte sich Mike D
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