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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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Licht, und auch im Studio tauchte er nicht auf. Auch ein Anruf bei ihrer Mutter hatte natürlich nichts gebracht. Bei ihr ging das Repertoire von allgemeinen Durchhalteparolen der Nachkriegsgeneration bis zu dem strengen Satz »Eine Tanya Beck flüchtet nicht!«, bei dem es Tanya wie immer besonders gruselte, wenn ihre eigene Mutter sie mit ihrem Künstlernamen anredete. Aber als sie am Freitagmorgen nach einer kurzen Nacht wieder die Lage überdachte, blieben doch insgesamt nur zwei Gefühle übrig. Erstens: ein fast mütterliches Schutzgefühl gegenüber den Kandidaten, besonders gegenüber Sascha und Lilly. Und zweitens: das merkwürdige Bauchgefühl, dass sie aus der direkten Gefahr schon raus war. Wer immer es war, er hatte es bei ihr versucht und war gescheitert. Tanya war zu stark gewesen. Und jetzt – mit der zusätzlichen Rundumüberwachung, die unten vor ihrem Haus stand, war sie stärker als zuvor. Sie war jetzt wachsam.
    Den letzten Ausschlag allerdings gab das ganz klare Gefühl, dass sie Marco den Triumph nicht gönnen würde, wenn sie jetzt den Kram hinschmiss. Denn er würde mit Sicherheit schon am Samstag eine andere »Titte in der Mitte« haben – eine mutigere. Oder noch schlimmer: einen weiteren Mann wie Marco.
    Also beschloss Tanya Beck, als sie vor dem Revier einparkte, aus einer Mischung von Intuition und trotzigem Feminismus mit der Show weiterzumachen. Sie hoffte, dass sowohl der Dalai Lama als auch die von ihr verehrte Germaine Greer stolz auf sie wären. Und in dieser Stimmung ging sie ins Präsidium – allerdings eher müde als stolz.
    Herr Köhler empfing sie in der Eingangshalle und ging mit ihr in ein einfaches Oma-Café um die Ecke, sodass Tanya nicht überprüfen konnte, ob sich der Look moderner Polizeireviere genauso hundertprozentig von den Fernsehversionen unterschied wie echte Popstars von den Gewinnern ihrer Sendung. Stattdessen orderte sie in dem gemütlichen Setting des Cafés in einem Anfall von Wahnsinn ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte, um sich durch den Zucker endgültig wach zu bekommen.
    Was sie nun von dem sympathischen Herrn Köhler zu hören bekam, hätte allerdings schon gereicht, um jede Müdigkeit vergehen zu lassen. Die neuen Obduktionsbefunde von Mausi, Peter und dem Fotografen lagen vor, und während bei Mausi und Peter die Sachlage immer noch nicht klar war, weil es sich als äußerst schwierig herausgestellt hatte, aus den Rückständen im Körper die ganz genauen Zusammensetzungen der Drogen zu definieren, gab es beim Fotografen Olli Bräuer interessante Neuigkeiten. Die zuständige Ärztin hatte an seinem Rücken oberhalb des Steißbeins mehrere kleine Brandmale gefunden, die bis jetzt übersehen worden waren. Abstand und Tiefe waren analysiert worden und wiesen auf ein Gerät hin, wie es sonst in der Landwirtschaft verwendet wurde: ein Elektroschocker für Bullen mit extrem hoher Voltzahl. Das hieß, der Herzinfarkt war durch mehrere Schübe Strom induziert worden, die dem Fotografen von hinten durch die Haut zugefügt worden waren.
    Tanya sah sofort die Szene wieder vor sich: das übliche unübersichtliche Gedränge beim Fotocall, das Geschrei, die Hektik, Peter de Bruyn, der sich hinter den Fotografen aufgebaut hatte, um mit seinen Handzeichen die Blickrichtung der Kandidaten zu koordinieren.
    »Hatte Herr de Bruyn vielleicht ein Motiv, Olli Bräuer zu töten?«, hakte nun der Kommissar nach, als könne er Tanyas Gedanken lesen. »Gab es etwas, das Bräuer wissen konnte oder fotografiert haben könnte, etwas, das Herr de Bruyn geheim halten wollte?«
    »Tja, Herr de Bruyn hatte wahrscheinlich mehr Feinde in dieser Welt als irgendjemand anderes, das brachte der Job so mit sich«, gab Tanya zu. »Aber auf der anderen Seite war er selbst nicht zimperlich. Was hätte einem wie ihm schon schaden können?«
    »Vielleicht das hier?« Der Kommissar legte einzelne Fotos neben Tanyas Tortenteller, deren Inhalt in keinem größeren Kontrast zu dem gemütlich-spießigen Ambiente des Oma-Cafés und seinen Besucherinnen hätte stehen können. Tanya war nicht prüde, aber sie musste ihre Tortengabel weglegen.
    »Ist das da unten Chantal?«, fragte sie mit ihrer professionellsten Stimme.
    »Ja, das ist sie«, sagte Herr Köhler ruhig. »Allerdings vor der letzten Operation in einem Zwischenstadium. Eigentlich ist sie da noch mehr Charlie als Chantal.«
    »Und darauf stand Peter?« Tanya hatte de Bruyn wirklich jede Perversion zugetraut, aber sie hatte sich ihn

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