Mörder und Marder
unwillkommen.«
Matzbach ignorierte den Einwurf. »Ich muß gestehen, daß ich beim Anblick Ihrer extralangen Beine hin- und hergerissen bin zwischen schlichter Bewunderung und Schüttelfrost wegen der allgemeinen Temperaturen. Im Haus und draußen.«
Sie warf einen Blick zum Fenster und zuckte mit den Achseln. »Die Zimmer sind geheizt.« Sie goß sich Kaffee ein; als die Kanne leer war, seufzte sie und hielt den halbvollen Becher hoch. »Das reicht nicht vorn und nicht hinten.«
Baltasar hob die Brauen. »Das hängt vielleicht davon ab, was Sie vorn und hinten damit tun wollen«, gab er zu bedenken. »Vor allem wo und wie oft.«
Hoff stürzte seinen Kaffee in einem Zug hinunter, zündete sich eine Zigarette an und klopfte auf die Platte des großen Tischs. »Genug gelabert. Ring frei zur nächsten Runde.«
Susanne Steul nickte Matzbach zu, leerte ihren Becher und verschwand mit Henry. Matzbach setzte sich wieder zu Horaz, bis Schuster von der zweiten Runde Kaffeekochen zurückkehrte und ihm den Marder abnehmen wollte. »Wo ist Vespasian?« sagte er.
Baltasar blickte sich um. »Ach, den hab ich verlegt. Ich hab ihn ganz vergessen, als Henry und Madame de Steul hereingekommen sind. Ei, wo mag er nur sein?«
Schuster bückte sich, blickte unter die Möbel und ins Feuer, dann ließ er sich aufs Sofa fallen. »Weit kann er nicht kommen, bei dem Wetter. Und im Haus taucht er früher oder später wieder auf. Wahrscheinlich ist er da, wo was los ist. Wenn ich richtig tippe, werden wir bald von oben schrille Schreie hören, und er hat jemanden gebissen.«
Matzbach nickte. »So ist es gut. Bei dem zahlreichen Beißen und den vielen schrillen Schreien oben kann es nicht schaden, wenn einer mal Ernst macht.«
Sie unterhielten sich eine Weile über die organisatorischen Probleme des Wieselverleihs und die Engpässe beim Wisentnachschub. Schließlich sagte Schuster: »Aber das ist alles nicht so wild. Schwierig waren die ersten Jahre. Jetzt läuft es von selbst. Ich habe schon Leute einstellen müssen – Tierpfleger zum Beispiel. Allein die Schafe werfen genug ab, und als mittelständischer Betrieb bekomme ich Landeszuschüsse.«
»Wieviel bringen die Schafe?«
»Raten Sie mal.«
»Keine Ahnung. Ich habe mit zweibeinigen Hämlingen ausreichend zu tun.«
Schuster lehnte sich zurück und rieb sich die Hände. »Ich habe zehntausend Stück«, sagte er. Er dachte offenbar an etwas ganz anderes. »Zehntausend«, wiederholte er leiser.
Matzbach wartete, sagte nichts, setzte seine erloschene Brasil wieder in Brand.
Schuster schüttelte plötzlich den Kopf. »Blödsinn«, sagte er halblaut. »Eine Schnapsidee. Aber Geld ist Geld.«
»Was haben Sie jetzt wieder vor?«
»Ach, nur so ein Einfall. Kam mir gerade, bei den Schafen. Neulich hat ein Gourmet geklagt, daß er nie gutes Bullenfleisch kriegt. Weidebullen, wissen Sie, nicht diese armen Rindviecher aus den Käfigen. Bei Schafen fielen mir die Lämmlein ein, die es jedes Jahr neu gibt, und dann der Gourmet mit seinem Rindfleisch. Da habe ich gedacht, was, wenn ich ein paar junge Bisons beiderlei Geschlechts über den Atlantik hole und in ein paar Jahren Bisonfleisch, frisch von der Weide, über Feinkostläden vertreibe. Bis die Tiere schlachtreif sind, kann man mit ihnen einen Wildpark machen. Das Schöne an der Natur ist, daß sie sich permanent reproduziert.«
Baltasar blies einen gewaltigen Ring an die Decke. »Ja, nicht wahr? Tierisch gut, obwohl Fortpflanzung nicht immer das eigentliche Ziel ist, selbst bei Hammeln und Rindviechern.«
Schuster blickte nach oben und grinste.
»Aber die Sache mit den Feinkostläden würde ich mir überlegen«, sagte Matzbach. »Sie können mehr daraus machen, wenn Sie Luxusrestaurants beliefern.«
»Wir sammeln gerade erste Erfahrungen in der Richtung. Da gibt es einen alten, reichen Aristokraten, dem die halbe Gegend gehört. Er macht seine Mäuse mit Holz und Hotels und verpachtetem Ackerland; außerdem hat er die Keller voll mit den Talern vom Goldmariechen.«
»Wie darf man das verstehen?«
»Einer seiner Vorfahren hat Anfang der Zwanziger, als die Inflation losging, Ländereien und Barockmöbel gegen Goldmark verkauft. Die guten goldenen Zehner und Zwanziger. Durchlaucht, der Heutige, er hat den Keller voll davon.«
Matzbach seufzte. »Der Mund wird wässrig. Aber kommen Sie doch von Ihrem goldenen Aristokraten wieder aufs Thema zurück.«
»Ach so. Ja, die Hotels. Durchlaucht hat natürlich überzähliges Personal
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