Mörder und Marder
in einen kaminhohen Plüschsessel und legte die Beine auf den Couchtisch. Die Pantoffeln waren rot und vorn aufwärts gebogen, wie in Illustrationen zu orientalischen Märchen. »Nein. Zwei ist die höchste Mehrzahl, die mir hinnehmbar erscheint. Alles, was darüber hinausgeht, ist bestenfalls Mob. Nein, will ich nicht.«
Schuster schlürfte an seinem Kaffee. »Heiß«, sagte er grämlich. »Außerdem ist Sex ja nicht die Welt.«
»Das stimmt schon. Es ist aber weder für Sex noch für die Welt eine ausreichende Definition.«
»Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht gerade definieren oder im Westerwald Kaffee trinken? Henry hat was von Vermögen und Kriminalistik erzählt.«
Baltasar nickte. »Er ist gut informiert.«
»Und? Wie sieht das genauer aus?«
»Fragen Sie doch Henry. Er weiß das alles besser als ich.«
Schuster verstummte. Baltasar blätterte in seinem Horaz. Die Seiten knisterten, das Feuer prasselte, Schuster schlürfte in Abständen Kaffee und kraulte kratzend seinen Marder. Die Federn im Sofa quietschten. Matzbach lärmte mit dem Löffel in seinem Kaffeebecher; dann zündete er sich eine Zigarre an. Knistern und Rühren unterblieben, aber zu Prasseln, Schlürfen, Kratzkraulen und Quietschen kam nun ein schmatzendes Pft-pft-pft, bis die Zigarre brannte. Baltasar schaute dem Rauch nach, der zum Fenster schwebte. Es schneite noch immer. Matzbachs Blick prallte am undurchdringlichen Weiß ab.
Füße brachten die Treppe zum Knarren, eine willkommene Ergänzung. Eine helle Frauenstimme rief »Ah, Kaffee« über den Korridor. Der zur Stimme gehörende Kopf lugte ins Kaminzimmer. »Es riecht so gut. Wo gibt’s den Kaffee?«
Eine nordische Blondine mit grauen Augen, strahlendem Lächeln, angetan nur mit einem flauschigen Morgenrock und Pantoffeln, insgesamt ein wenig pummelig. Sie trat ins Zimmer, warf Schuster einen kühlen Blick zu und streckte Matzbach ihre Hand entgegen. »Ich bin Evita. Du bist Henrys Mitbringsel, nicht wahr? Warum kommst du nicht rauf?«
Baltasar legte sorgsam seinen Horaz beiseite, erhob sich, küßte der Darbietenden die Hand und sagte: »Baltasar Matzbach, sehr zu Diensten. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Frau Rieseby. Solange wir einander nicht besser kennen, sollten wir Distanz halten.«
Sie betrachtete ihn perplex und ließ die abschlaffende Hand sinken.
Baltasar klopfte auf seinen Wanst. »Wie Sie sehen, könnte mir ein wenig Bewegung nicht schaden. Aber Sex ist kein Ersatz für Gymnastik. Auf diese Weise werden wir einander nicht näherkommen. Ich finde das außerordentlich befriedigend. Der Kaffee steht auf dem Tisch.« Damit setzte er sich wieder.
Eva-Maria Rieseby goß sich wortlos einen Becher voll, schüttelte den Kopf und ging.
Als die Tür lautstark ins Schloß gefallen war, richtete Gaspard Schuster sich auf und zwinkerte. »Erstklassige Arbeit, Mann. Ich bin stolz auf Sie. Wollen Sie nicht als Geschenk und Zeichen meiner Anerkennung einen Tukan haben? Er ist allerdings in der Mauser.«
Matzbach hob die linke Braue. »Wenn ich eine Meise hätte, nähme ich Ihren Tukan. So aber nicht. Stecken Sie sich doch seine gemauserten Federn in den Darmausgang, von mir aus.«
»Was habe ich Ihnen eigentlich getan?«
»Sie stinken. Und Ihre schwarzen Nägel an Fingern und Zehen beleidigen mein Auge. Ein nasaler und ein optischer Grund, Sie nicht zu mögen. Ich könnte Ihnen noch weitere nennen.«
Schuster seufzte. »Da kommt nun einer, den man nicht alle Tage sieht und vor allem nicht seit Jahren kennt, und man freut sich auf amüsante Unterhaltung. Und was ist? Essig.« Er hob seinen Marder und küßte ihn auf die Schnauze. Das Tier fletschte die Zähne und schnappte, verfehlte aber die Nase seines Meisters. »Na, Vespasian, was meinst du dazu? Er ist widerlich, der fette Mann da, oder? Zum Fressen, ja? Aber roh und bei lebendigem Leibe, wie? Ahhh. Hmmm.« Er drückte das japsende Geschöpf an seinen Busen.
Baltasar betrachtete das Schauspiel mit einer gewissen Rührung und legte Horaz beiseite. »Sie dauern mich, Sie Schmierfink. Nein, ich meine nicht Ihren Vespasian, sondern Sie. Ich kann schon zwischen einem schmierigen Finken und einem reinlichen Marder unterscheiden. Aber Sie haben natürlich recht; ich benehme mich unverzeihlich. Wenn ich Wert auf Ihre Verzeihung legte, müßte ich mich vor Ihnen beknirschen. Ihre Verzeihung und sonstigen Tugenden sind mir aber schnurz. Wie sind Sie bloß auf diesen tierischen Einfall gekommen?«
Schuster
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