Mörder und Marder
eigentlich nicht?«
Susanne faßte sich nachdenklich an den Bauch. »Im Prinzip hab ich Hunger. Aber der wird durch Toben im Schnee größer.«
Matzbach strahlte. Er sah aus, als sei er begeistert über die Schneemänner; tatsächlich jedoch war ihm gerade eine neue Idee gekommen.
»Na fein«, sagte er. »Dann schlage ich vor, Sie gehen und spielen im Schnee – falls Sie weit genug aus der Hintertür kommen. Jorinde bereitet sich vor, und ich? Ich kann ja inzwischen etwas kochen.«
Susanne rümpfte die Nase. »Aber bitte ohne Ratte.«
Es war nicht einfach, die Tür zum Garten zu öffnen, da die Klinke außen in Schnee stak. Die Schneemassen waren mannshoch aufgetürmt; aus der Vorratskammer konnten nur die Längsten über die Oberfläche hinausschauen.
Hoff und Genenger rückten einen Tisch an die Tür, kletterten auf die Platte und begannen mit der Erweiterung einer Öffnung, indem sie Schneebälle hinter sich warfen; ob der Gegenwehr der dort Stehenden schaufelten sie mit den Händen einfach die oberen Schneelagen beiseite. Nach und nach entstand eine Mulde vor der Tür, umgeben von einem wachsenden Wall.
»Umständliches Spiel«, kommentierte Susanne. »Immerhin, wenn die Vorräte zu Ende gehen, könnten wir so in ein oder zwei Tagen das Dorf erreichen.«
»Das liegt auf der anderen Seite«, gab Hoff zu bedenken. Keuchend sprang er vom Tisch und gab Melcher einen Schubs. »Lös mich mal ab.«
Melcher kletterte auf die Platte und stellte sich neben Genenger. Der schwere, starke Mann schaufelte, daß es eine Lust war zuzusehen. Melcher schaffte nicht einmal die Hälfte.
Adelheid hatte sich wieder gesammelt, wärmer angezogen und zur Schneeräumbrigade gesellt. »Notfalls könnten wir Schneeschuhe basteln. Aus den Stuhlsitzen und ein paar Stück Holz. Wenigstens bis zu den Autos würden wir damit kommen. Ich meine, ehe wir verhungern.«
»Für heute reicht das, was wir noch haben«, sagte Hoff.
»Hoffentlich«, sagte Susanne. Sie löste Genenger ab, kletterte neben Melcher auf den Tisch und sah kurz zu seiner Bussardnase hinauf, an der sich Tropfen bildeten. Sie fielen auf den weißen Schal.
In der Küche fand Matzbach zwei Pfund Spaghetti, ein Pfund Reis, zehn Eier, Büchsen mit Erbsen, Spargelabschnitten, Bockwürsten und Serbischer Bohnensuppe sowie eine mit Königsberger Klops; außerdem Gewürze, Bananen, Joghurt, Brot, Käse, Butter und Aufschnitt.
Murmelnd machte er einen Rundgang durch den eisigen Vorratsraum, betrachtete zwinkernd die Schneeräumer in der Hintertür, erlebte einen Wachwechsel auf dem Tisch und verfolgte interessiert, wie die gleichgroßen Hoff und Melcher es fertigbrachten, auf dem Tisch stehend Schnee wegzuschieben, ohne sich unausgesetzt die Köpfe an der Oberkante der Tür zu stoßen. Dann widmete er sich den Regalen, fand aber keine weiteren Nahrungsmittel. Ein großer Pappkarton, der Konserven verhieß, enthielt einen zerbrochenen Drachen, Bleisoldaten, eine Schachtel mit Knetgummi, Sandförmchen, Gummistiefel für Kinder, zwei rostige Erste-Hilfe-Kästen für Autos, eine Sankt-Martins-Laterne, der ein Stück des stabilisierenden Drahts fehlte, und anderen Kleinkram. In der Küche angekommen schloß er die Tür und stellte einen großen und einen kleinen Topf mit Wasser auf den Herd. In den kleineren legte er die Eier, in den großen schüttete er Salz. Das Feuer im Herd würde für seine kulinarischen Absichten ausreichen. Er öffnete die Büchsen. Dann ging er einen Moment ins Kaminzimmer, aber dort war niemand. Er stieg die Treppe hinauf und rief leise: »Jorinde«.
»Hier.« Es kam aus dem Badezimmer. Die Tür war nicht verschlossen. Jorinde Seyß lag in einem roten Sud in der Wanne und sah Baltasar fröhlich entgegen.
»Sie sind ganz schön leichtsinnig«, sagte er. »Geheime Mörder haben schon viele Badende aufgesucht, die hinterher nicht mehr zum Abtrocknen gekommen sind.«
Jorinde lächelte. Sie hatte das Elektroöfchen ausgeschaltet und den Ofen im Bad geheizt; zusammen mit dem Dunst des heißen Wassers sorgte er für eine erträgliche Temperatur. »Sie kommen bestimmt nicht, um mir das zu sagen.«
Matzbach schnüffelte. Das rote Zeug, in dem die Hexe lag, roch säuerlich. Er grinste. »Ich verzichte auf die Frage, was das ist. Ich wollte nur wissen, wie lange Hoheit sich darin suhlen werden. Damit ich weiß, wieviel Zeit mir fürs Kochen bleibt.«
Sie hob eine Braue, die linke, und streckte die Zehen des rechten Fußes über die rote Oberfläche. »Ach,
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