Mörder und Marder
ihm einen Blick über die Schulter zuwarf. Mit der Rechten tastete sie nach dem Schlüssel.
Dann starrte sie auf das Schloß und stieß einen zornigen Schrei aus. Sie wandte sich um und fauchte Matzbach an: »Wo ist der Schlüssel?«
Er suhlte sich in der warmen Brühe. »Ach, seien Sie doch so gut, legen Sie meine Sachen wieder auf den Schemel.«
Sie ließ alles fallen und kam zur Wanne. Ihre Augen waren kalt, aber der Mund verzerrte sich. »Sie mieses Schwein«, zischte sie.
Baltasar sah sie vorwurfsvoll an. »Aber, aber. Sie vergessen sich. Wollten Sie mich etwa einsperren? Und meine Kleider mitnehmen? Bah, wie unfein.«
Sie streckte den Arm aus und deutete auf seine Nase. »Sie«, sagte sie halblaut. »Sie waren es. Ich schreie, wenn Sie einen Finger heben.«
Baltasar bewegte ganz leicht die Hände und schob den restlichen Schaum über seine Lenden. »Die mir innewohnende Schamhaftigkeit, wissen Sie«, sagte er. »Wie kommen Sie auf diesen Einfall?«
»Außer Henry«, sagte sie wütend, »kennt Sie keiner. Und Henry ist lieb, aber ein Trottel.« Sie trat einen Schritt zurück.
»Sie tun ihm unrecht. So lieb ist er gar nicht.«
Sie bückte sich und kletterte in ihr angeblich nasses Frottee. Dabei redete sie weiter. »Sie sind den ganzen Nachmittag mit Schuster allein gewesen. Was da passiert ist, weiß ich nicht. Vielleicht hatte Gaspard viel Geld bei sich, oder er hat mal versucht. Sie oder einen Freund von Ihnen zu erpressen, und Sie wollten sich rächen. Sie sind der einzige, der am gleichen Flur wohnt und nur zwei Türen weiterzugehen braucht; jeder von uns müßte über den ganzen Korridor und an der Treppe vorbei. Sie haben ihn umgebracht und dann die Sachen auf dem Boden verstreut, um uns irrezuführen. Und jetzt inszenieren Sie Ablenkungsmanöver in der Küche und bei der Leiche, um uns von der richtigen Spur fortzubringen. Die führt nämlich zu Ihnen.«
Matzbach nickte. »Hört sich gut an. Tut Ihnen sonst noch was weh?« Er erfreute sich ihrer Beine.
Sie stand in ihrem ärmellosen Miniponcho neben der Wanne. »Außerdem, diese Pistole, die Ihnen angeblich jemand geklaut hat – die hat doch keiner je gesehen. Entweder Sie haben sie noch, oder sie hat nie existiert.«
Baltasar seufzte. »Sie dauern mich. Haben Sie einen guten Arzt oder Beichtvater?«
Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und schwieg verbissen.
»Henry hat die Pistole gesehen. Und sie ist wirklich weg. Leider.«
Sie reagierte nicht.
»Ich sehe, Sie lassen sich nicht davon abbringen. Hm. Na ja, macht nichts. Ich würde jetzt aber gern aufstehen und mich abtrocknen und anziehen, ohne daß Sie einen Schreikrampf kriegen.«
Sie trat noch einen Schritt zurück und blickte zwischen ihm und der Tür hin und her.
»Aber Ihr Einfall, mich in die Wanne zu locken, um mich dann nackt und naß hier einzusperren, der war schon gut. Ich mache ihnen einen Vorschlag. Ich stehe jetzt auf. Sie gehen bis an die Wand zurück, ich gehe zur Tür, schließe auf und lasse Sie hinaus. Einverstanden? Über alles andere reden wir später.«
Sie wich zurück, bis ihr Rücken die Wand berührte. Baltasar machte ein trauriges Gesicht, stieg aus der Wanne und watschelte zur Tür. Dort bückte er sich nach dem Kleiderbündel, hob die Jacke hoch und zog den Schlüssel aus der Innentasche. »Beim Zusperren und Jackeaufhängen«, sagte er. Er steckte den Schlüssel ins Schloß, drehte ihn, öffnete die Tür und verneigte sich. Susanne Steul rauschte hinaus.
Baltasar frottierte sich, ließ das Wasser aus der Wanne, wischte die Pfützen auf und zog sich an. Zwischendurch warf er einen Blick in den beschlagenen Spiegel, grinste und sagte: »Gut, daß ich Euch nicht sehe, Herr. Hat es Euch gemundet?«
Plötzlich stutzte er. Er hatte ein Bein in der Hose, das andere stand bloß und haarig herum, wie verloren. »Wer hat die Tür zugemacht?« murmelte er. »Henry oder ich?« Er zog sich eilig zu Ende an, schlüpfte in die Jacke und rannte zu Schusters Zimmer.
Die Tür war nicht verschlossen. Er suchte und fand den Schlüssel in der rechten Außentasche seiner Jacke.
Baltasar stieß die Tür auf. Es war noch immer eiskalt im Zimmer. Das Fenster stand auf. Die Leiche war verschwunden. Ebenso die Leukoplaststreifen, der unaufgeblasene Ballon, der Kerzenstummel, der Gummihandschuh und die Kupferschlinge.
Matzbach blieb im Türrahmen stehen und nickte mehrfach. Schließlich sagte er laut: »Das kommt davon. Trottel.« Er ging zum Fenster, drehte sich um,
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