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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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fahren Sie für ein Auto, Heinrich?«
    Genenger blickte den Dicken an. »Ein Leichenauto.« Er hob die Brauen. »Teufel auch. Soll ich die Leiche in meinem Leichenwagen versteckt haben? Wie hab ich sie denn an den anderen vorbeigeschmuggelt? Die waren alle mal im Haus, aber nicht gleichzeitig. Ein paar waren immer draußen.«
    Baltasar wedelte mit der Zigarre. »Ich will Sie gar nicht bezichtigen, zeihen, beschuldigen oder anklagen. Fern sei es von mir. Ich suche nur ein neues Auto. Was ist das für ein Leichenwagen und wie fährt er sich?«
    »Benz«, knurrte Genenger.
    »Können wir mit dieser blödsinnigen Autosucherei aufhören?« sagte Susanne.
    Jorinde teilte die Karten in zwei Hälften auf. Eine legte sie beiseite, die andere mischte sie. Dann reichte sie sie dem neben ihr sitzenden Arthur Melcher, der ebenfalls mischte und sie weitergab. Baltasar setzte sich schnaubend auf seinen Platz.
    Als alle gemischt hatten, nahm Jorinde die Karten, ohne die unterste anzusehen. Sie legte sie auf den Tisch und breitete sie fächerförmig aus. Matzbach zählte; es waren zweiundzwanzig.
    »So, jetzt nehmt bitte jeder eine Karte, aber legt sie mit dem Gesicht nach unten vor euch, ohne sie anzuschauen«, sagte Jorinde. »Das heißt, genauer gesagt: Keiner kann sich eine Karte aussuchen. Die Karten suchen euch aus.«
    Melcher grinste und warf seinen Schal über die Schulter. Er streckte die Hand aus, zog eine Karte aus der Mitte des Fächers und ließ sie vor sich liegen.
    Als jeder eine Karte hatte, schob Jorinde die restlichen zusammen. Dann mischte sie die zweite Hälfte der Karten, reichte sie zum Mischen herum, legte sie auf den Tisch. Wieder nahm jeder eine, ohne sie anzuschauen.
    Schließlich legte Jorinde aus jedem der beiden verminderten Stapel eine weitere Karte mitten auf den Tisch. »Für Gaspard«, sagte sie.
    Alle saßen schweigend da; ein halb verbranntes Scheit polterte im Kamin, und der Marder stieß einen langen Klagelaut aus.
    »Was ist jetzt?« Matzbach versteckte sein Feixen hinter einer Rauchwolke.
    Jorinde sah ihn nicht an; sie blickte auf die verdeckt liegenden Karten und legte die rechte Hand flach auf den Tisch. Ihre Nägel waren wieder warmrot; die Aggressivität der von ihr zur Opferung gewählten Farbe hätte nicht zum sanften Blau der Kartenrücken gepaßt. »Die erste Karte, die euch gewählt hat, war eines der zweiundzwanzig Großen Bilder. Jedes der zweiundzwanzig hat bestimmte symbolische Bedeutungen. Man zählt sie nach verschiedenen Systemen durch – von eins bis zweiundzwanzig oder von einundzwanzig bis null, die ältere Form, die ich vorziehe. Als komplette Serie beschreiben diese Bilder, beginnend mit einundzwanzig, den Weg des Magiers zu Vollendung und Auflösung. Da außer mir kein Magier im Kreis ist, werden wir die mindere Symbolschicht betrachten. Sie wird uns sagen, wo jeder von uns sich befindet und in welcher spirituellen Lage er ist.«
    Matzbach schnalzte und schmatzte. »Haben Sie die zweite Karte aus den kleineren
arcana
genommen, damit wir auch erfahren, wer von uns bald zu Geld kommt?«
    Jorinde antwortete nicht. Sie deckte die erste, für den toten Schuster bestimmte Karte auf. »Nummer Zwanzig.
Das Weltengericht

    Ein mächtiger Engel mit feurigen Flügeln und Trompete; berstende Gräber und nackte Tote, die ihnen entsteigen.
    »Auch
Auferstehung der Toten
genannt.« Matzbach lächelte mild.
    Jorinde preßte die Lippen zusammen und deckte die zweite Karte auf; es war Pik Neun. »Die Karte des Todes«, murmelte sie.
    »Fein, fein«, sagte Baltasar. »Mich wundert nur, daß Sie zu den großen Bildern diese modernen französischen Karten nehmen. Haben Sie keine schönen mystischen kriegen können mit Schwertern, Diamanten und so, statt Pik und Karo?«
    »Baltasar«, sagte Henry energisch, »nun halt doch mal die Klappe. Ich finde das sehr interessant. Was heißt das?«
    Jorinde hob die Hände. »Daß Schuster tot ist und sich wahrscheinlich in einem besseren Leben befindet.«
    »Das ist uns neu«, knurrte Genenger.
    Jorinde seufzte. »Wir sollten alle unsere Karten aufdecken.«
    Alle gehorchten, teils grinsend, teils skeptisch, teils gespannt. Vor Heinrich Genenger lag
Der Tod
, ein Skelett mit Sichel; daneben Kreuz Drei.
    »Den Tod steck ich mir gern an.« Genenger nickte. »Immerhin bin ich Privatbestatter. Aber was ist mit der Drei?«
    »Er mäht ein Feld von Köpfen ab, an deren Stelle Hände und Füße wachsen«, sagte Jorinde. »Sehr bemerkenswert. Symbol für den

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