Mörderisch verliebt: Roman (German Edition)
schien mir ein wenig früh zu sein für eine Trennungsrede. Bis jetzt gab es ja nicht einmal etwas, das man trennen konnte! Aber ich konnte mir schon genau vorstellen, was er als Nächstes sagen würde. »Du bist ein echt tolles Mädel und ich finde dich wirklich sehr nett, aber es hat einfach nicht ›Klick‹ gemacht …«
Ich wartete und sah ihn würdevoll an. An diesem Gesichtsausdruck hatte ich während der letzten vierundsiebzig Freunde gearbeitet.
Er seufzte. »Ich wollte es Ihnen eigentlich nicht sagen, aber …«
»Sie sind schwul!« Die Worte schossen wie von selbst aus mir heraus.
»Was?« Er lachte ungläubig.
Ich schloss die Augen, um meine eigene, durch den Alkohol noch verstärkte Blödheit nicht länger mit ansehen zu müssen. »Nichts. Ich habe gar nichts gesagt. Reden Sie weiter.«
»Sie glauben, dass ich schwul bin? Das bin ich nicht! Wirklich nicht!«
»Nein, natürlich nicht.« Irgendetwas konnte mit mir einfach nicht stimmen. »Was wollten Sie sagen?«
Ich wartete. Wenn er schon nicht schwul war, dann musste er zumindest einen Mutterkomplex haben. Denn wer ist schon ohne Mutterkomplex?
»Ich habe J. D. mit einer Blondine gesehen.«
Ich blinzelte, während meine Hirnzellen wie gestrandete Fische verzweifelt umherhopsten. Ich ließ die Nachricht in mein alkoholgesättigtes Gehirn sinken. Wut kochte in mir hoch. »Solberg?«, fragte ich, nur um sicherzugehen. »Mit einer Frau?«
»Es tut mir wirklich leid.«
Vorsichtig atmete ich ein. »Wer war sie?«
»Ich weiß nicht, wer …«
»War sie eine Tänzerin?«
Er lehnte sich ein Stück zurück, als wollte er etwas Abstand zu der Frau gewinnen, die sich gerade womöglich in eine Feuer speiende Feministin verwandelte.
Ich entspannte mich wieder. Vielleicht lag es am Alkohol, dass ich so aufbrausend reagierte. Vielleicht aber auch an meinen Brüdern, die früher nicht ein einziges Mal angeklopft hatten, bevor sie das Badezimmer betraten. Ja, ich glaube, ich werde ihnen die Schuld auf ewig zuschieben. »Es tut mir leid«, erwiderte ich. »Das ist ja nicht Ihr Fehler. Ich will nur nicht, dass jemand Elaine verletzt.« Ich lächelte ihn kultiviert an. »Wo hat J. D. die Blondine denn kennen gelernt?«
Er schien sich ein wenig zu entspannen. »Wir haben eine Zaubervorstellung besucht.«
Ich nippte an meinem Drink, gab mich lässig und verwarf den Gedanken, mich auf ihn zu stürzen.
»Wir?«, fragte ich.
»Ein paar von uns. J. D., Jeff, Hilary …«
»Hilary Peshing?«
»Ja. Sie kennen sich?«
»Nur flüchtig. Waren sie und Solberg …« Ich zupfte an meiner Serviette herum und ermahnte mich, sie nicht in kleine Stücke zu zerreißen und mir dabei vorzustellen, es sei Solbergs Haar. »Waren die beiden zusammen?«
Er zuckte die Achseln. »Wie ich schon sagte, ich kenne ihn nicht besonders gut. Aber ich habe sie an einem Abend bei der Tagung zusammen gesehen.«
»Können Sie sich noch erinnern, wann das war?«
»Nein. Ich habe angenommen, die beiden würden fachsimpeln. Bei einigen Projekten haben sie sich hin und wieder mal gegenseitig geholfen.«
»Bei welchen Projekten?« Das Wort »Combot« leuchtete blutrot vor meinem inneren Auge auf.
»Sagt Ihnen die Insty List etwas?«
Ich schüttelte den Kopf. Aber Combot. Was zum Teufel war Combot?
»Tja, das wird eine ganz schön große Nummer, wenn sie auf den Markt kommt. Das ist ihr Baby.«
»Und Sie glauben, dass die beiden vielleicht darüber gesprochen haben?«
Er machte ein Gesicht, als dächte er nach. »Möglich. Aber das Gespräch sah eher nach einer hitzigen Debatte aus.«
»Hitzig?« Meine Neugier ging in Argwohn über.
»Na ja, vielleicht nicht gerade hitzig, aber … doch sehr lebhaft.«
Ich hatte keine Zeit, um politisch korrekt zu sein. »Haben Sie gehört, worum es bei dem Streit ging?«
»Nein, leider nicht.«
»Aber sie haben sich gestritten.«
Er zuckte mit den Schultern.
Ich stieß innerlich einen Fluch aus. »Gab es andere Projekte, an denen die beiden gemeinsam gearbeitet haben? «
»Möglich.«
»Irgendetwas Spezielles?«
Er warf mir einen seltsamen Blick zu. »Warum fragen Sie das alles?«
Meine Erfahrungen aus der Vergangenheit rieten mir, niemals jemandem mit einem Y-Chromosom zu vertrauen, aber ich brauchte dringend jemanden, der sich mit der Materie auskannte. Konnte ich ihm die Wahrheit anvertrauen? Konnte ich ihn geradeaus nach der CD fragen, die ich in Solbergs Unterwäsche gefunden hatte? Die Vernunft siegte. Männer waren wohl kaum
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