Mörderisch verliebt: Roman (German Edition)
dass ich sie dafür im Schlaf ermorden würde.
»Sie sehen doch ganz gut aus«, fuhr Mr. Hunt fort. »Sie haben einen guten Job. Wie kommt es, dass Sie da immer noch Single sind?«
Ich dachte kurz darüber nach zu erwidern, dass ich es trotz meiner vergangenen Beziehungen mit Männern wie ihm geschafft hatte, noch ein paar funktionierende Gehirnzellen zu behalten, aber das wäre wahrscheinlich reichlich unprofessionell gewesen. Und womöglich falsch.
»Wie lange sind Sie beide schon verheiratet?«, fragte ich stattdessen und überging seine Frage mit einer verblüffenden Raffinesse, wie sie nur eine erfahrene Psychoanalytikerin an den Tag legen konnte. Es war Freitagnachmittag, fünf Uhr, und ich hatte seit fünf Tagen und neunzehn Stunden keine Zigarette mehr geraucht. Auf dem Weg zur Arbeit heute Morgen hatte ich nachgezählt.
»Zweiundzwanzig Jahre«, antwortete Mrs. Hunt. Bei dieser Zahl schien sie nicht gerade außer sich vor Freude zu geraten. Vielleicht hatte auch sie auf dem Weg zur Arbeit heute Morgen ein wenig nachgerechnet. »Im letzten Mai.«
»Zweiundzwanzig Jahre«, wiederholte ich und pfiff vor Bewunderung durch die Zähne, während ich mich selbst dafür schalt, so danebengelegen zu haben. Es musste ihr pastellfarbenes Ensemble gewesen sein, das mich hinters Licht geführt hatte. »Irgendwas müssen Sie dann wohl richtig gemacht haben. Und bis heute haben Sie noch nie eine Therapie gemacht?«
»Nein«, antworteten beide einstimmig. So, wie sie dreinblickten, musste ich davon ausgehen, dass dies zu den wenigen Dingen gehörte, die sie immer noch gemeinsam hatten.
»Weil Sie nie das Gefühl hatten, Hilfe zu brauchen, oder weil …«
»Ich glaube nicht an so einen Unsinn«, fiel mir Mr. Hunt ins Wort.
Ich wandte mich ihm zu, ruhig und gelassen, was klar bewies, wie reif ich geworden war. Vor fünf Jahren noch hätte ich mich persönlich angegriffen gefühlt. Vor zwanzig Jahren hätte ich ihn als warziges Arschgesicht beschimpft und ihm einen Tritt in den Allerwertesten verpasst. »Warum sind Sie dann hier, Mr. Hunt?«, fragte ich, wobei meine Stimme eine melodisch-weiche Mischung aus Neugier und Fürsorge an den Tag legte.
»Kathy hat gesagt, sie würde nicht mehr mit mir …« Er hielt inne. »Sie wollte, dass ich mitkomme.«
Die gute Kathy hatte ihn also auf Sexentzug gesetzt. Aha.
»Nun«, sagte ich, »ich bin mir sicher, Sie wissen, dass Sie mir nichts erzählen müssen, wenn es Ihnen nicht wirklich behagt.«
Erneut sah ich vom einen zum anderen. Mr. Hunt runzelte die Stirn. Mrs. Hunt spitzte die Lippen. Sie machten nicht den Eindruck, als würde ihnen viel behagen. Vielleicht ein unverfänglicher Wie-war-Ihr-Tag-Austausch – wenn kein anhaltender Augenkontakt dafür nötig war.
Ich räusperte mich. Noch hatte ich nicht viel über die Hunts rausgekriegt, aber aller Wahrscheinlichkeit nach wollte er mehr Sex, und sie wollte, na ja, vielleicht eine nette kosmetische Gesichtsbehandlung und ein One-Way-Ticket nach Tahiti. Sie sah müde aus. Und sie machte den Eindruck, als stünde sie so sehr unter Druck, dass sie ihre Locken mitsamt Haarlack vom Kopf absprengen könnte.
Meine derzeitigen Fragebögen fragten nicht danach, ob meine Patienten Kinder hatten, aber im Fall der Hunts war eine schriftliche Bestätigung etwa so nötig wie Softdrinks bei einem Junggesellenabschied. Sie machte einen vollkommen ausgelaugten Eindruck auf mich. Wahrscheinlich hatten sie ein gutes Dutzend dieser kleinen Rotzlöffel gezeugt.
»Und natürlich«, fuhr ich fort, »hängt alles von Ihren eigenen Zielen ab.«
»Von unseren Zielen?«, fragte Mr. Hunt misstrauisch, als ob ich ihm mit miesen Tricks zu mentalem Gleichgewicht und ehelicher Glückseligkeit verhelfen wollte.
»Genau«, bekräftigte ich, drehte meinen Schreibtischstuhl ein wenig und schlug die Beine übereinander. Ich trug ein rotbraunes, ärmelloses Etuikleid mit einer passenden Kostümjacke von Chanel. Indem ich meine Kleidung bei einem kleinen Secondhandshop am Sunset Boulevard kaufte, konnte ich mich ein wenig besser kleiden als der durchschnittliche Bettler in L. A. und mir immer noch meine sündhaft teuren flachsfarbenen Riemchensandalen leisten. Die Schuhe passten hervorragend zum paspelierten Ensemble und taten dabei noch den Muskeln in meinen Unterschenkeln etwas Gutes. Ich sah fantastisch aus. Wer braucht schon einen Ehemann, wenn man Chanel trägt und einfach nur fantastisch aussieht? »Was hoffen Sie, mit Ihren Sitzungen hier zu
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