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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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Scotland Yard die Toxikologen Dr. Dupre und Dr. Stevenson mit der Untersuchung beauftragte, äußerten sie, es sei kein Problem, eine Atropinvergiftung zu erkennen. Mit dem Vitali-Test beispielsweise würde ein Organextrakt eine blauviolette Farbreaktion zeigen. Allerdings, so schränkten die Toxikologen ein, widerspreche der hochgradige Erregungszustand Percys vor seinem Tode einer Atropinvergiftung. Diese rufe zwar zu Beginn eine kurzzeitige Erregung hervor, lähme dann aber rasch das Zentralnervensystem und führe zum Koma. Percy sei aber bis zuletzt bei vollem Bewusstsein gewesen.
    Am 8. Dezember gingen die Toxikologen an die Arbeit. Für ihre Tests besaßen sie genügend Organe, die die Obduzenten dem Toten vorsorglich entnommen hatten. Aber alle Versuche, im Organextrakt mit dem Vitali-Reagenz den erwarteten blauvioletten Niederschlag zu erhalten, waren vergebens. Keine Spur von Atropin. Dafür erbrachte ein anderer Test mit dem Pellagri-Reagenz eine tiefrote Farbe. Das wies auf Morphium hin. Aber die Herkunft des Morphiums war klar. Percy hatte es von den Ärzten gegen seine unerträglichen Schmerzen erhalten. Doch diese Morphiumgabe hätte niemals tödlich gewirkt.
    Also doch kein Pflanzengift? Dr. Stevenson nahm eine Probe des Organextrakts auf die Zunge. Nach wenigen Sekunden verspürte er einen brennenden Geschmack und ein Kribbeln auf der Zunge, die rasch pelzig und gefühllos wurde. Der erfahrene Toxikologe war sich bereits jetzt sicher, auf das gefährlichste Gift in Europa gestoßen zu sein: auf Aconitin.
    Aconitin ist ein Alkaloid des Eisenhuts, eines Hahnenfußgewächses, das in den Alpen und Gebirgswäldern, an Bächen und auf leuchtenden Wiesen und auch als Zierpflanze in Gärten zu finden ist.
    Inzwischen hatte sich auch der Apotheker nochmals bei Scotland Yard gemeldet und seine erste Aussage revidiert. Bei genauerer Durchsicht seines Giftbuches hatte er festgestellt, dass er Lamson kein Atropin, sondern Aconitin verkauft hatte. Aconitin, so erklärte der Apotheker, verwenden manche Ärzte in entsprechender Verdünnung als schmerzlindernde Einreibung bei Neuralgien.
    Dr. Stevensons Vermutung und die Aussage des Apothekers stimmten überein. Nun musste nur noch der chemische Giftnachweis erbracht werden.
    Aber für Aconitin gab es einen solchen Nachweis nicht. Die beiden Toxikologen führten mit Dutzenden von Reagenzien, mit denen man bisher Pflanzenalkaloide nachweisen konnte, Tests am Organextrakt durch. Es gelang ihnen nicht, die geringste Spur von Aconitin zu entdecken.
    Die Toxikologen sahen sich gezwungen, auf den chemischen Giftnachweis zu verzichten. Ihre einzige Chance sahen sie in Tardieus physiologischem Experiment. Nur benutzten sie dazu nicht wie Tardieu Froschherzen, sondern erprobten die Wirkung von Aconitin an weißen Mäusen.
    Stevenson injizierte einer Gruppe Mäuse originales Aconitin, das gleiche aus der gleichen Apotheke, das auch Lamson bezogen hatte. Eine zweite Gruppe erhielt eine Gabe aus dem Organextrakt des Toten.
    Beide Gruppen zeigten extreme Unruhe und starben nach einer halben Stunde.
    Stevenson überprüfte auch, ob es dem Täter möglich gewesen war, seinem Opfer das Gift unbemerkt zu verabreichen. Er beschaffte sich eine der Kapseln, die Bedbrook von Lamson erhalten hatte, verbrachte eine tödliche Menge Aconitin - einige Milligramm - in die eine Hälfte der Kapsel, fügte sie mit der andern zusammen, öffnete sie erneut, um etwas Zucker hineinzuschütten und schob beide Hälften wieder ineinander. Diese Simulation konnte dem tatsächlichen Vorgang gleichen. Als Percy die Kapsel schluckte, merkte er nichts von dem brennend beizenden Geschmack des Giftes.
    Stevenson und Dupre waren nun sicher, alle gerichtsmedizinischen Beweise für Lamsons Täterschaft in Händen zu haben und sie dem Gericht überzeugend darstellen zu können.
    Aber sie sollten dabei die katastrophalste Niederlage ihrer wissenschaftlichen Laufbahn erleben.
    Und das war das Werk von Lamsons Anwalt Montagu Williams.
    Williams hatte vor Beginn des Prozesses die Akten eingesehen. Er sah keine Möglichkeit, die Indizien zu widerlegen, die Lamson belasteten: den Kauf des Aconitins, den Besuch bei Percy, die Manipulation mit der Kapsel, die unmittelbar danach beginnende tödliche Erkrankung, die Ausschließung eines natürlichen Todes.
    Das alles war durch seriöse Zeugen bestätigt. Williams sah nur eine einzige Chance: Er musste den Geschworenen weismachen, dass Percy überhaupt nicht vergiftet worden

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