Moerderische Fracht
niemanden, der es fertigbrachte, morgens um halb sieben gebratene Eier zu essen. Sie öffnete geräuschvoll die Zimmertür und steckte ihren Kopf herein.
»Bist du wach?«
»Ja«, sagte ich, »jetzt ja.«
»Du bist spät dran. Frühstück ist fertig und das Bad ist frei, also auf gehts! Wir haben einiges zu bereden!«
Auf dem Weg ins Badezimmer dachte ich an Helen. Sie hatte den Münchner Sommer geliebt und war, wann immer sie es einrichten konnte, in den Sommermonaten hier gewesen. Leider war sie auch immer wieder weggefahren.
Und ich dachte an Morisaitte. An den Hass in seinem gesunden Auge und an die Männer, die bei ihm waren. Wenn der Schwede kommt, sagen Sie ihm: Auf Wiedersehen! Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, wie das gemeint war.
In der Küche hatten die beiden Frauen unterdessen schon mit dem Frühstück begonnen. Während Anna sich mit der üblichen Entschlossenheit ihren Spiegeleiern widmete, knabberte Elena an einem Stück Toast herum und sah immer noch sehr blass, elend und gleichzeitig wunderschön aus. Sie schenkte mir ein vages Lächeln und richtete ihren Blick wieder auf Anna.
»Was ist das für ein Mann im Rollstuhl, von dem ihr gestern gesprochen habt?«
Anna unterbrach ihr gleichmäßiges Kauen und warf mir einen fragenden Blick zu. Als ich nickte, schluckte sie den Bissen hinunter und schob den Teller von sich. Sie hatte Schinken und Spiegeleier noch mit einer großzügigen Portion Tabasco verfeinert, sodass ich meinen Blick schnell abwandte und mich auf Elena konzentrierte.
»Er ist ein Mörder«, sagte Anna. »Er hat meine Schwester Helen getötet, und er hat dafür bezahlt. Thomas ist mit Hilfe von Morisaittes Freundin in sein Appartement eingedrungen und hat ihn mit Insulin vergiftet. Wir haben gedacht, dass er den Rest seines Lebens in einem Pflegeheim vor sich hinvegetiert, aber das war offenbar ein frommer Wunsch.«
Elena hatte während Annas Erzählung ihre Hand mit der Toastscheibe sinken lassen und begonnen, das Brot zwischen Daumen und Zeigefinger zu zerkrümeln. Über ihrer Nase hatten sich zwei steile, konzentrierte Falten gebildet, und ihre grünen Augen zwinkerten ungläubig. Nachdenklich betrachtete sie jetzt den kleinen Krümelhaufen auf der Tischdecke.
»Ihr denkt, dass er in Kenia einen Menschen getötet hat?«
Anna nickte.
»Er hat im Februar dieses Jahres die Klinik mit unbekanntem Ziel verlassen. Im März wurde seine Exfreundin, die Thomas geholfen hatte, mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden.«
»Komisch«, überlegte ich, »dass bei uns in den Medien überhaupt nichts über den Mord berichtet wurde.«
»Wieso«, meinte Anna, »so berühmt war sie nun auch wieder nicht, und Kenia ist weit weg. Unsere Mordfälle stehen ja in Mombasa auch nicht in der Zeitung. Vielleicht haben die flämischen Medien darüber berichtet. Ich frage mich nur, wie er sie so verdammt schnell finden konnte.«
Ich schwieg und biss mir auf die Lippe. Ohne Appetit goss ich mir eine Tasse schwarzen Kaffee ein und beschloss, nach einem Blick auf Annas Teller, es dabei zu belassen. Nach mehr als dreieinhalb Jahren Abstinenz hatte ich irrsinnige Sehnsucht nach einer Zigarette. Anna schien weiter nachzugrübeln.
»Er hat dir also etwas ausrichten lassen«, sagte sie langsam, »durch diesen Dr. Brugmann. Eine persönliche Botschaft. Wenn der Schwede kommt, der lange Blonde … Das heißt, er hat gewusst, dass du früher oder später in der Klinik in Antwerpen auftauchen würdest. Wie konnte er sicher sein, dass du davon … oh, verdammt, diese Ausstellung!«
Sie sprang auf, lief ins Wohnzimmer und kam mit dem Kunstmagazin zurück. Mit fahrigen Händen schlug sie die entsprechende Seite auf.
»Ich hab da eine Idee. Museum van Hedendaagse Kunst in der Leuvenstraat 32, mit Telefonnummer!«
Anna legte ihr Handy auf den Küchentisch, wischte sich die schweißnassen Hände an ihrer Jeans ab und wählte die Nummer des Museums. Es dauerte ein wenig, bis sie jemanden an den Apparat bekam, der Deutsch sprach, aber das Museum van Hedendaagse Kunst war schließlich eine international renommierte Galerie.
»Hallo«, meldete sich Anna, »ich rufe an wegen der Van t’Hoff-Ausstellung im Oktober …. Ich bin eine große Verehrerin und werde auf jeden Fall kommen …. Ist das nicht schrecklich? Ich war außer mir, als ich von ihrem Tod gehört habe. Wer tut so etwas? … Doch, ich finde es wunderbar, dass Sie diese Ausstellung arrangiert haben. Ich meine heutzutage, in Zeiten knapper Kassen,
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