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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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verändert. Trotz seiner offensichtlichen Handicaps hatte er immer noch die Stimme eines Mannes, der sicher ist, dass er alles tun kann, was er will.
    Ich nickte.
    »Sie haben sich ja prächtig erholt. Warum haben Sie den Rollstuhl mitgebracht? Oder ist dieser Auftritt auf zwei Beinen nur eine kleine Showeinlage, um mich zu beeindrucken?«
    Morisaitte grinste, und die Gesichtslähmung verwandelte das Grinsen in eine sardonische Grimasse. Wieder schien er eine Weile zu brauchen, um sich einen Satz zurechtzulegen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    »Der Rollstuhl … der ist für Sie!«
    Er ließ mir Zeit, diesen Satz zu verdauen, und gab dem Belgier ein Zeichen mit der Hand. Der fischte ein Päckchen Gauloises aus seiner Jackentasche, zündete eine an und reichte sie ihm. Genüsslich inhalierend saß er einfach da und genoss meine Angst. Als er schließlich die Zigarette auf dem Boden austrat, wusste ich, dass es so weit war.
    »Möchten Sie … noch etwas sagen? Etwas Geistreiches … das wir Ihrer mageren Schlampe ausrichten können … wenn wir sie besuchen?«
    Ich antwortete nicht. Es gab nichts mehr zu sagen, und die Angst saß wie ein dicker Pfropfen in meiner Kehle, sodass ich sowieso nicht sprechen konnte. Was hatte Morisaitte mit dem Rollstuhl gemeint? Der war definitiv kein Hilfsmittel für Tote. Wenn sie mich umbringen wollten – woran ich nicht den geringsten Zweifel hatte –, war es sinnlos, mich in einen Rollstuhl zu setzen.
    Morisaitte ließ sich nun von dem Belgier einen Handschuh über die linke Hand streifen, und erst in diesem Augenblick sah ich den Schlagring. Einer der Männer musste ihn auf den Tisch gelegt haben, was mir offensichtlich entgangen war. Der Belgier reichte ihn zu Morisaitte hinüber, und der ließ seine linke Hand hineingleiten.
    »Kommen Sie doch ein bisschen näher«, sagte er.
    Die beiden Glatzköpfe packten mich unter den Armen, zerrten mich vom Stuhl hoch und hielten mich wie ein hilfloses Bündel so nahe vor Morisaitte hin, dass ich seinen Zigarettenatem riechen konnte. Der Belgier baute sich hinter mir auf und hielt meinen Kopf fest – was wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen wäre. Der Schlag kam derart schnell und ansatzlos, dass ich auch so keine Chance gehabt hätte auszuweichen. Er traf mich mitten ins Gesicht, und instinktiv wusste ich, dass ich einen zweiten Schlag dieser Sorte vermutlich nicht überleben würde. Mein Mund füllte sich mit Blut und kleinen, harten Bröckchen, die einmal Zähne gewesen waren. Ich wollte ausspucken, aber Morisaittes Männer ließen mich einfach los, und ich knallte auf den Fußboden. Sie fingen an, mich zu treten. Schwere Arbeitsstiefel trafen meinen Unterleib, meine Nieren und Rippen, und am Rande meines Bewusstseins erwartete ich den letzten tödlichen Tritt an den Kopf, doch der kam nicht. Bevor ich anfangen konnte, mich darüber zu wundern, wurde mir schwarz vor Augen.
    Als mein Gehirn seinen Dienst wieder aufnahm, saß ich in dem Rollstuhl.
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange ich bewusstlos gewesen war. Meine vorher auf dem Rücken gefesselten Handgelenke waren jetzt mit Klebeband auf den Armstützen des Rollstuhls fixiert, und auch meine Füße konnte ich keinen Millimeter bewegen. Sie schoben mich aus dem Büro in die Halle zu dem schwarzen Toyota. Der Belgier öffnete die hintere Tür und klappte die Metallrampe herunter. Dann schob er mich in den Van, fixierte den Rollstuhl auf der Ladefläche und schlug wortlos die Heckklappe zu. Er setzte sich hinter das Steuer, und Morisaitte hievte sich mit einiger Mühe auf den Beifahrersitz. Die beiden Glatzen blieben in der Halle zurück. Wieder rumpelten wir über das große, in den Boden eingelassene Metallgitter, und erneut waren nach dem Verlassen der Halle die typischen Geräusche eines Hafens zu hören, allerdings deutlich gedämpfter als am Vormittag. Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht, mir den Mund zuzukleben. Ich konnte sowieso nicht mehr schreien. Mein ganzer Körper schien nur noch aus Schmerz zu bestehen, mein Gesicht war eine große offene Wunde. Der Verkehrslärm draußen nahm langsam ab, zudem schien die Straße wieder unebener zu werden, bis ich schließlich den Eindruck hatte, überhaupt nicht mehr auf einer Straße zu sein. Der Van fuhr jetzt sehr langsam über leicht welligen Untergrund, und ich hörte Schreie von Möwen und Brandgänsen. Ich war am Meer.
    Was sollte das alles? Warum hatten sie mich nicht einfach totgetreten? Weil die

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