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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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gebracht hatte, erinnern zu können. Warum hatte ich derart blauäugig die Tür aufgerissen und überhaupt nicht geschaltet, als ich den Mann vor der Tür sah? Haben Sie schon einmal Männer gesehen, die bei der Fremdenlegion waren, hatte mich Dr. Brugmann gefragt. Sie sehen sofort, dass die für die Welt der Bausparverträge verloren sind. Was hatte ich mir vorgestellt? Dass Morisaitte aufgeben würde? Nachdem er Geldorf ermordet hatte? Idiotisch! Ich musste mir eingestehen, überhaupt nichts gedacht zu haben. Die Ereignisse im Maritimen Lagezentrum, und natürlich vor allem Elena, hatten in den letzten vierundzwanzig Stunden meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Ich hatte einerseits die Bedrohung durch Morisaitte und seine Leute die ganze Zeit im Kopf gehabt und andererseits nicht wirklich damit gerechnet, in Cuxhaven angegriffen zu werden. Warum nicht? Schließlich war er auf der Überfahrt nach Lettland auch das Risiko eingegangen, mich auf dem noch belebten Oberdeck der Fähre in einen Verschlag zu zerren und mir eine unmissverständliche Warnung zukommen zu lassen:
    Wir haben kein Interesse daran, Sie zu töten – aber auch kein Problem damit. Und mein stummer Freund hier weiß, wie man es anstellt, dass sich jemand den Tod herbeisehnt.
    Die Übelkeit verstärkte sich, was mir zusätzlich ziemliche Sorgen machte. Meine Lippen waren mit Klebeband fest verschlossen. Wenn mein Mageninhalt es bis in die Mundhöhle schaffte, bestand die reale Gefahr, an meinem eigenen Erbrochenem zu ersticken. Was würden sie mit mir anstellen? Dieses Mal würde ich nicht mit ein paar Tritten in den Unterleib davonkommen. Ich dachte an Morisaittes Stimme, an die Aura von Arroganz und absoluter Macht, die mir auf der Fähre jeden Mut geraubt hatte, und versuchte verzweifelt, mir ins Gedächtnis zu rufen, wie hilflos und erbärmlich er später in seinem Rollstuhl saß, aber irgendwie drängte sich die andere Erinnerung dauernd in den Vordergrund. Morisaitte mochte ein Krüppel sein, doch hilflos war er nicht. Du lieber Himmel, hörte ich Anna fragen, was soll denn so schwer daran sein, jemandem mit links die Kehle durchzuschneiden, wenn vier Leute ihn für dich festhalten. Genau das war der entscheidende Punkt. Es war überhaupt nicht schwer.
    Der Wagen fuhr jetzt langsamer. An den Geräuschen, die zu mir durchdrangen, konnte ich erkennen, dass wir uns offenbar wieder im Innenstadtbereich von Cuxhaven befanden. Ich hörte Verkehrslärm, den Krach schwerer Maschinen, Schiffssirenen und Möwengeschrei. Wir befanden uns zumindest in der Nähe eines Hafens, davon gab es allerdings eine ganze Reihe in dieser Stadt. Der Wagen bog nach links ab, erneut wurde ich kräftig durchgeschüttelt, als er offenbar über ein großes Stahlgitter rumpelte. Dann stoppte er abrupt und setzte rückwärts. Der Industrielärm nahm ab. Das Motorengeräusch des Autos schien von einem merkwürdigen Echo vervielfacht zu werden. Wir waren in eine große Halle hineingefahren, auch davon musste es in Cuxhaven Dutzende geben. Der Fahrer rangierte noch ein wenig, bevor er den Motor abstellte. Die Heckklappe öffnete sich, zwei kräftige Hände zerrten mich von der Ladefläche und ließen mich auf den Boden fallen. Ich hörte ein klickendes Geräusch, dann wurde mit einem Klappmesser die Kapuze um meinen Kopf herum aufgeschnitten. Es war eine große Erleichterung, wieder frei atmen zu können, aber das war definitiv das einzige Positive an meiner Situation. Ich saß auf dem schmutzigen Fußboden einer Lager- oder Fertigungshalle, direkt hinter dem Auto, mit dem man mich transportiert hatte. Die Ladefläche gehörte zu einem Van. Sie war leer bis auf einen Rollstuhl, der mit einer Sicherungshalterung am Boden fixiert war. Bei dem Wagen handelte es sich um einen schwarzen Toyota Hiace, einen robusten, praktischen Van mit Vierradantrieb, bei dem die hinteren Sitzreihen fehlten. Er hatte außerdem eine ausklappbare Metallrampe für Rollstuhlfahrer. Mein Blick fiel auf das belgische Kennzeichen. Instinktiv versuchte ich, es mir einzuprägen. Nur, wozu? Die Tatsache, dass sie mir die Kapuze abgenommen hatten, deutete darauf hin, dass ich keine Chance bekommen würde, diese Information weiterzugeben.
    Der Mann mit der Monteursuniform beugte sich zu mir herunter, riss mich an den Armen hoch und schleppte mich ohne erkennbare Anstrengung wie ein Altkleiderbündel vom Auto weg. Im hinteren Teil der menschenleeren Halle war ein kleiner Raum mit zwei großen

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