Mörderische Harzreise (German Edition)
seiner vertrockneten Alten bleiben. Erleichtert legte er auf. Daraufhin rief er Lilly an, um sie an dieser frohen Botschaft teilhaben zu lassen. Aber statt seine Freude zu teilen, sagte sie ihm: »Du bist ein genuss- und selbstsüchtiger Arsch. Ein Mann eben. Was soll man da anderes erwarten? Wir sehen uns demnächst bestimmt nochmal. Aber vorher ziehe ich meine spitzen Schuhe an. Also polstere schon mal dein Hinterteil.«
Auch Ferdinand telefonierte mit Lilly. Er war immer noch beunruhigt wegen des Bildes. Außerdem ging ihm der Besuch auf die Nerven. Vor allem Elvira.
»Sie sitzt abends im Wohnzimmer vor dem Fernseher und ist ununterbrochen damit beschäftigt, die Filme zu kommentieren. Dabei frisst sie tütenweise Chips und Erdnüsse. Und Frau Kuhfuß muss das am nächsten Morgen alles aufsaugen und die leeren Chipstüten wegräumen, die die Dame überall liegen lässt. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Herrschaften sich hier auf einen sehr langen Aufenthalt eingerichtet haben.«
»Ach Ferdinand, sei nicht so missmutig.«
»Hast du nicht Lust, morgen mal wieder vorbeizukommen? Außer Frau Kuhfuß bist du die Einzige, die der Dame mit den Papageienkleidern Paroli bieten kann.«
»Ich passe morgen auf zwei Kinder der Sauschlägers auf. Ich wollte etwas mit ihnen unternehmen. Die beiden sind ziemliche Rabauken. Ich kann ja mit ihnen zu Dir kommen. Wenn es jemandem gelingt, der Papageiendame den Nerv zu töten, dann sind es diese beiden.«
»Das ist eine gute Idee. Mir sind lebendige Kinder, die ordentlich Blödsinn machen, lieber als ständig plappernde, nörgelnde Frauen in Papageienkleidern. Zu allem Unglück ist Frau Kuhfuß morgen nicht da. Da werde ich wohl Essen bringen lassen müssen.«
»Ach, Ferdinand. Beauftrage doch einfach den Paradiesvogel und ihre Tochter mit dem Kochen.«
Clausthal-Zellerfeld: Die Sauschlägers
Tim und Yvonne waren die beiden jüngsten Kinder der Sauschlägers. Lilly hatte die Familie vor ein paar Jahren kennengelernt, als sie mit der Erforschung der Oberharzer Mundart beschäftigt war. Hannes und Rita Sauschläger beherrschten diese Sprache in großartiger Vollendung. Der Kontakt war über Amadeus zu Stande gekommen, den die Sauschlägers engagieren wollten, um ihnen bei einer Auseinandersetzung mit der Russenmafia zu helfen.
Hannes und Rita waren aus relativer Armut zu ansehnlichem Wohlstand gelangt, nachdem sie von einem nahezu unbekannten Onkel zwei Restaurants geerbt hatten. Da das Ehepaar Sauschläger nichts von Gastronomie verstand und auch keine Muße hatte, jeden Tag nach Salzgitter zu fahren, entschied es sich, die beiden „Fressbuden“ von einem Geschäftsführer bewirtschaften zu lassen. Diesem ließen sie freie Hand und freuten sich, wenn jeweils am Ende des Monats ein Großteil des Gewinns auf ihr Konto überwiesen wurde. Vor einiger Zeit hatte es mal einen finanziellen Engpass gegeben, da sie versäumt hatten, dem Finanzamt zu geben, was ihm zustand. Diese Misere hatten sie aber schnell überwunden, indem sie für die Mafia Leichen auf ihrem Grundstück vergruben. Allerdings ohne zu wissen, dass es sich um Leichen handelte. Sie wussten bis heute nicht, was sie da auf ihrem weitläufigen, einsam gelegenen Anwesen verbuddelt hatten. Und die Polizei wusste es auch nicht. Die Einzigen, die es hätten wissen können, die Mafiosi nämlich, waren tot oder saßen im Knast. Aber das war Schnee von gestern. Jetzt ging es ihnen wieder gut. Und zwischen Lilly und der Familie hatte sich eine Freundschaft entwickelt. Rita hatte gefragt, ob Lilly mal ein paar Tage auf die beiden Kleinen aufpassen könne, da sie mit ihrem Mann eine Wochenendreise nach Paris machen wolle. Tim und Yvonne waren acht und sechs Jahre alt. Die vier Ältesten gingen mehr und mehr ihre eigenen Wege, wohnten aber noch alle bei den Eltern.
Als Lilly auf dem Grundstück der Sauschlägers in Clausthal-Zellerfeld ankam, wurde sie von den beiden Kleinen sofort euphorisch begrüßt. Die Kinder mochten Tante Lilly. Sie konnte so spannende Geschichten erzählen und brachte sie auch dazu, selbst zu lesen.
Als Rita herauskam, um Lilly zu begrüßen, sagte sie:
»Was mach ich bloß mit dism albern Kerrel?« Damit war ihr Mann Hannes gemeint. »Der kricht sein Marsch net hoch. Jetze ha ich n Fluch gebucht. Und da sacht er, dass er Angst hat. Angst! Dar Hannes! Immer de große Fresse auf. Und denn hatta Angst vorm Fluchzeuch.«
»Ach Rita, pack ihn ins Auto und fahr zum Flughafen. Dann geht alles
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