Mörderische Harzreise (German Edition)
gab an, seinen Schwiegervater vor seinem Verschwinden eine Woche lang nicht gesehen zu haben. An besagtem Abend sei er früh ins Bett gegangen, weil er ja am nächsten Morgen in den Urlaub fahren wollte. Man glaubte ihm.
Monikas Vater blieb verschwunden. Das Leben ging trotzdem weiter. Es dauerte zwar etliche Wochen, bis der Alltag wieder einzog. Aber allmählich war alles wieder wie immer. Nur, dass Monikas Mutter ein Nervenbündel blieb. Sie konnte das Verschwinden ihres Mannes nicht begreifen.
Stefans Verhältnis zu seiner Frau wurde allmählich wieder besser. Er nahm sich fest vor, Monika in Zukunft nicht mehr mit so viel Sarkasmus entgegenzutreten und wieder liebevoller mit ihr umzugehen. Schließlich konnte sie nichts für das Verhalten ihres Vaters. Außerdem hatte sich dieses Problem ohnehin erledigt. Monika hatte immer gewisse Probleme mit ihrem Sohn, der ganz und gar auf seinen Vater fixiert war. Wenn sie nicht mehr weiter wusste, beklagte sie sich bei ihrem Mann. Wenn Stefan mit dem Jungen ein ernstes Wort redete, dass er zum Beispiel die Mutter nicht ärgern solle oder ihr zu gehorchen habe, half das für einige Zeit. Als er in die Schule kam und allmählich immer selbstständiger wurde, hatte Monika wieder mehr Zeit, im Geschäft zu arbeiten.
Stefan war in seinem Umkreis gut integriert, hatte allerdings kein großes Interesse am gesellschaftlichen Leben. Die wenige Freizeit, die ihm nach der Arbeit blieb, verbrachte er lieber mit seinem Sohn. In seinem Bekanntenkreis galt er als liebevoller, in den Augen einiger Leute sogar als eine Spur zu liebevoller Vater. Er gab seinem Sohn im Übermaß das, was er in seiner eigenen Kindheit zu wenig bekommen hatte.
Braunlage: Der Maler
Ferdinand hatte allmählich die Schnauze voll. Was hatte er doch all die Jahre für ein ruhiges Leben gehabt. Ab und zu kam mal Besuch. Und nach ein paar Tagen war dann wieder alles beim Alten. Aber was in diesem Sommer los war, das hatte er noch nie erlebt. Zuerst kam seine verschollene Nichte Ella mit ihrem Gammler vorbei. Dann folgte Hans-Ulrich mit seiner Mischpoke. Bis jetzt hatte sich sein Neffe noch nicht geäußert, wann er und seine Frau wieder zu fahren gedachten. Die Asche seiner Schwiegermutter stand noch immer, quasi als stumme Drohung, auf dem Kaminsims. So eine Zumutung. Jeder normale Mensch lässt sich begraben. Aber diese penetrante Frau musste sich selbst noch über den Tod hinaus in seinem Haus breit machen.
Schließlich war auch noch dieser total verrückte Neffe aus Mexiko aufgetaucht. Ein lieber Kerl, zugegeben. Aber auf Dauer einfach unerträglich. Vor allem in Verbindung mit Beate. Die beiden machten keinen Hehl daraus, dass sie es miteinander trieben. Und Hans-Ulrich nahm das einfach so hin. Was ging nur in seinem Neffen vor, wunderte er sich. Normalerweise müsste ein Mann unter solchen Umständen doch ausrasten, seine Frau an die Luft setzen, den Bruder verprügeln. Aber nichts von alledem passierte. Die zwei waren schon wieder im Wald unterwegs, während Hans-Ulrich einkaufen gefahren war.
Und zu allem Überfluss war da noch die Sache mit dieser gangsterhaften Sekte. Vielleicht hatte er ja dank Lillys beherztem Eingreifen tatsächlich endlich Ruhe vor denen. Wenn nicht, dann sollte er vielleicht wirklich die Idee von Frau Kuhfuß aufgreifen, eine Waffe anzuschaffen.
Als Ferdinand gerade ins obere Stockwerk gehen wollte, traf er Frau Kuhfuß auf der Treppe, die sehr ernst vor dem Gemälde stand.
»Nanu, Frau Kuhfuß, was machen Sie denn hier? Sagen Sie nicht, dass sich schon wieder etwas verändert hat.«
»Allerdings. Schauen Sie selbst.«
Ferdinand konnte es nicht fassen. Die Frau in Weiß lag jetzt nicht mehr unten am Bildrand, sondern direkt vor dem Haus. Ein schwerer Ast, oder was das auch immer darstellen sollte, lag auf ihr. Offenbar blutete sie am Kopf. Die Frau auf dem Bild war eindeutig von diesem großen Gegenstand erschlagen worden.
»Frau Kuhfuß, ich glaube, mir bleibt das Herz stehen. Ich kann das langsam alles nicht mehr aushalten. Heißt das etwa, dass schon wieder jemand aus diesem Haus ums Leben kommt?«
»Ich fürchte ja, Herr Dünnbier. Das wäre dann die sechste Leiche. Und dann ist Schluss.«
»Wie meinen Sie das? Dann ist Schluss?«
»Kommen Sie mit. Setzen wir uns ins Wohnzimmer. Ich habe nie darüber geredet. Aber ich denke, jetzt ist es an der Zeit, Ihnen reinen Wein einzuschenken.«
Ferdinand traute seinen Ohren nicht. Was wusste seine Haushälterin, was er
Weitere Kostenlose Bücher