Mörderische Harzreise (German Edition)
um seine selbst kreierten Wurstsorten zu kaufen.
Duderstadt im Eichsfeld, wo Stefan lebte, war von jeher eine Wurstmetropole. Allerdings war auch die Konkurrenz groß. Nicht nur durch die anderen Schlachtereien, sondern auch durch die privaten Haus- und Hofschlachtungen, die noch sehr verbreitet waren. Offiziell dienten diese lediglich zur Deckung des Eigenbedarfes, aber unter der Hand wechselten die begehrten Wursterzeugnisse des Öfteren die Besitzer. Mittlerweile gab es auch immer mehr Lebensmittelgeschäfte, die solche Waren anboten. Billigproduktionen aus der Fabrik. Wer hier mithalten wollte, konnte nicht einfach die Preise senken, sondern musste Spitzenqualität bieten. Viele Menschen, die das mittelalterliche Städtchen besuchten, fuhren nicht weg, ohne einem Schlachter einen Besuch abgestattet zu haben. Etliche Leute besuchten den Ort sogar in erster Linie, um Wurst zu kaufen. Wer hier als Schlachter eine gute Position haben wollte, musste wirklich etwas bieten. Stefan hatte in dieser Hinsicht keine Probleme. An manchen Samstagen standen die Leute Schlange, um in seinem Laden einzukaufen. Er musste sogar noch zwei Verkäuferinnen und einen weiteren Gesellen einstellen.
Und er interessierte sich zunehmend für Mädchen. Eines Tages verliebte er sich unsterblich in ein wunderbares Geschöpf namens Monika. Er machte ihr einen Antrag. 1980, als er dreiundzwanzig Jahre alt war, heirateten sie. Im darauffolgenden Jahr bekam das Paar Nachwuchs: ein Junge, den sie Michael nannten. Stefan war total verrückt nach seinem Sohn. Tagsüber fieberte er bereits dem Feierabend entgegen, um endlich Zeit für Michael zu haben. Das Maß seiner Zuwendung wurde so groß, dass Monika schon eifersüchtig wurde. Michael hatte absolute Narrenfreiheit. Als er vier war und seiner Mutter in einem Wutanfall sein Essen an den Kopf warf, haute sie ihm ein paar Mal auf den Hintern. Der Junge schrie wie am Spieß und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Stefan hörte das bis in die Schlachterei und rannte in die Wohnung. Als seine Frau ihm erzählte, was geschehen war, rüttelte er sie wie von Sinnen und brüllte: »Wenn du das noch mal machst, bring ich dich um!«
Es begann, in der jungen Ehe zu kriseln. Monika hatte es schwer, mit dem von ihrem Mann völlig verzogenen Jungen zurechtzukommen. Außerdem wurde sie immer weniger von Stefan beachtet. Im Laden brauchte sie nicht viel zu tun. Stefan wollte nicht, dass es seinem Sohn so erging wie ihm selbst in seiner Kindheit. Als kleiner Junge hatte er sich immer vernachlässigt gefühlt, weil seine Adoptivmutter so viel arbeiten musste. Also beschränkte sich Monikas Tätigkeit im Geschäft auf die Zeiten, wenn der Junge im Kindergarten war. Sie hätte mehr gearbeitet, weil sie gern unter Menschen war. Aber sie wollte den Ärger mit Stefan vermeiden, der unweigerlich vorprogrammiert war, wenn sie sich nicht so intensiv um den Sohn gekümmert hätte.
Im Sommer beschloss das Ehepaar, in den Urlaub zu fahren. Monika und der Junge sollten mit der Bahn schon mal vorfahren, und Stefan würde eine Woche später kommen, weil er der Meinung war, den Laden nicht so lange schließen zu können. Am Tag vor der Abreise ging Monika mit ihrem Sohn zu ihren Eltern, um sich zu verabschieden. Als sie nach Hause kamen, heulte Michael herzzerreißend. Er erzählte seinem Vater, dass der Opa ihn verprügelt habe. Er hatte den alten Herrn ein blödes Arschloch genannt und ihn mit Dreck beworfen. Daraufhin legte er den Jungen übers Knie und versohlte ihm den Hintern.
Als Stefan das hörte, wurde er ganz weiß im Gesicht. Er stellte seine Frau zur Rede, die die ganze Sache allerdings zu beschwichtigen versuchte. Mit Müh und Not konnte sie ihn davon abhalten, ihren Vater aufzusuchen, um ihm die Leviten zu lesen. Am nächsten Morgen brachte Stefan Frau und Kind zum Bahnhof. Eine Woche lang musste Stefan nun allein zu Hause zubringen. Am Samstagabend war er dann mit allen Arbeiten fertig, um die Schlachterei für eine Woche zu schließen. Am nächsten Morgen würde er mit dem Wagen ganz früh Richtung Nordsee aufbrechen.
Da machte sein Schwiegervater den „Fehler“, Stefan abends aufzusuchen. Noch dazu nach einem Kneipenbesuch, als er schon ziemlich angetrunken war. Es war fast elf Uhr. Stefan war gerade im Begriff, ins Bett zu gehen, als es klingelte. In der Haustür stand nun dieser besoffene Kinderschläger vor ihm. Stefan war wütend und ließ es seinen Schwiegervater spüren.
»Was willst du? Du weißt
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