Mörderische Harzreise (German Edition)
wohl nicht, wie spät es ist?«
»Ist das eine Art, seinen Schwiegervater zu behandeln? Stell dich nicht so an. Das ist doch keine Zeit für einen erwachsenen Mann, ins Bett zu gehen.«
»Erstens ist es meine Sache, wann ich ins Bett gehe. Und zweitens muss ich früh raus. Ich fahre morgen um sechs in den Urlaub.«
»Nun stell dich nicht so an. Du wirst doch wohl noch einen Schnaps für deinen Schwiegervater haben.«
Widerwillig ließ Stefan ihn herein. Er hatte allerdings keine Lust, ihn in die Wohnung hochzubitten. Da fiel ihm ein, dass er in der Schlachterei immer eine angebrochene Flasche Schnaps stehen hatte, die er für seine Experimente mit neuen Wurstsorten verwendete. Also führte er den Schwiegervater in die blitzblank gewienerte Schlachterei und holte die Flasche. Der alte Herr hatte sich bereits auf einen Hocker gesetzt und Stefan reichte ihm die Flasche. Dieser sah die Flasche skeptisch an, öffnete sie und nahm einen Schluck.
»In Sachen Benehmen bist du genauso ein verzogenes Balg wie dein Sohn. Noch nicht mal ein Glas hast du für mich. Ich glaube, dein Vater hätte dir beizeiten mal die Flötentöne beibringen sollen.«
»Lass meinen Sohn aus dem Spiel, sonst vergesse ich mich. Und wenn du ihn noch einmal anrührst, dann schlag ich dir den Schädel ein.«
Auf solche dreisten Worte war er nicht gefasst gewesen. Nun entstand ein wildes Wortgefecht zwischen den beiden Männern. Dann setzte der Schwiegervater noch einmal die Flasche an und trank einen Schluck. Was er danach sagte, brachte bei Stefan die letzte Sicherung zum Durchbrennen:
»Damit du es weißt: Ich habe mir schon einen Stock bereit gelegt. Und jedes Mal, wenn dein Sohn mir frech kommt, werde ich ihn lehren, dass man so nicht mit mir redet. Und du kannst gerne auch noch eine Tracht Prügel von mir bekommen.«
Stefan hatte bereits nach einem seiner besonders scharfen Messer gegriffen und sang vor sich hin: »Wer nur den lieben langen Tag ohne Plag, ohne Arbeit vertändelt…« – Es folgte ein Ritz in die linke Halshälfte des Schwiegervaters, der kurz aufschrie, aber gar nicht wusste, wie ihm geschah. – »wer das mag, der gehört nicht zu uns…« – Schnitt in die rechte Halshälfte. Aufschrei! » Wir stehn des Morgens zeitig auf, hurtig mit der Sonne Lauf…« – Stich in die Kehle.
Braunlage
Beate und Alfonso waren unterwegs. Sie wollten wieder mal in den Wald gehen. Hans-Ulrich konnte sich lebhaft vorstellen, was seine Frau und sein mexikanischer Halbbruder und Gelegenheitsmönch dort vorhatten. Wenn dem so war, wie sollte er es verhindern? Er saß mit Lilly oben auf dem Balkon und genoss die Unterhaltung mit der alten Dame. Ferdinand hatte sich unten im Wohnzimmer aufs Sofa gelegt. Frau Kuhfuß war nach dem Mittagessen nach Hause gegangen. Jetzt warteten sie auf Amadeus. Da kam ein schwarzes Auto vorgefahren. Lilly dachte zuerst, es sei ihr Großneffe. Aber da stieg ein Mann mittleren Alters aus. Blondes Haar mit Halbglatze, salopp angezogen. Er ging durch den Vorgarten zum Haus und läutete, ohne Lilly und Hans-Ulrich auf dem Balkon bemerkt zu haben. Als Ferdinand nicht öffnete, bollerte der Mann gegen die Tür und rief: »Hey, Alter! Machen Sie gefälligst auf! Sie sind wohl zu feige?«
Lilly und Hans-Ulrich schauten sich entsetzt an. Dann trat der Mann ein paar Schritte zurück und sah Lilly und Hans-Ulrich auf dem Balkon.
»Sagen Sie dem alten Mann, dass er endlich aufmachen soll!«
Jetzt wurde es Lilly zu bunt. Das konnte nur jemand von dieser komischen Sekte sein, von der Ferdinand erzählt hatte.
»Hören Sie mal zu, Sie rüder Geselle: Wenn Sie nicht augenblicklich von diesem Grundstück verschwinden, komme ich runter, um Sie zu ohrfeigen.«
»Ha, ich fürchte mich zu Tode.«
Inzwischen war Hans-Ulrich auf dem Weg nach unten, um nach seinem Onkel zu sehen. Als der Mann hörte, dass sich jemand von innen an der Haustür zu schaffen machte, wandte er sich von Lilly ab. Diese war allerdings so erbost, dass sie zu dem Eimer mit Gießwasser griff, der auf dem Balkon stand, ihn hoch auf das Geländer hievte und dem Mann eine kalte Dusche verpasste. Der schrie vor Schreck auf: »Ay, verdammt nochmal! Sind Sie wahnsinnig geworden?«
Dann schaute der Mann wieder zur Haustür, während Lilly ihm den Plastikeimer auf den Kopf warf und er erneut aufschrie. In dem Moment erschienen Beate und Alfonso an der Gartenpforte. Lilly rief ganz aufgeregt: »Alfonso, der Kerl da belästigt uns. Hau ihm stellvertretend
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