Moerderische Idylle
müsste das wissen, und egal, ob positiv oder negativ, wolle er sich melden, sowie er mit ihr gesprochen habe.
»Ist das wichtig für euch«, fragte Henning Wallin.
»Kann schon sein«, sagte Rogersson. »In diesem Stadium ist fast alles wichtig.«
»Dieser Pullover«, sagte Rogersson eine Stunde später zu Bäckström.
»Ganz Ohr«, sagte Bäckström. Wie schön wäre jetzt ein kaltes Bier, und wer zum Teufel will bei diesem Wetter über Pullover reden, dachte er.
»Der scheint jedenfalls nicht Linda gehört zu haben. Ich habe mit dem Papa gesprochen, und der hat mit der Haushälterin gesprochen, und die hat mich angerufen und herumgenervt, weil sie in den vergangenen zehn Jahren für Linda und ihren Vater endlos nähen und flicken und waschen und bügeln und bürsten und reiben und rubbeln musste.«
»Und«, fragte Bäckström.
»Sie will nicht zugeben, dass irgendein hellblauer Kaschmirpullover ihr das Leben vergällt hat«, sagte Rogersson. »Ansonsten scheint dieser Hausdrachen wahnsinnig viele Klamotten betreut zu haben.«
»Und das Mütterchen«, fragte Bäckström.
»Falsche Farbe. Absolut die falsche Farbe für sie. Total unmöglich«, sagte Rogersson. »Die können wir vergessen.«
Wieso denn falsche Farbe, dachte Bäckström. Die Frauenzimmer spinnen doch alle, dachte er. Er selbst hatte einen blaurotgrüngestreiften Lieblingspullover, den er vor einigen Jahren bei einer Mordermittlung oben in Östersund gefunden hatte. Irgendein reicher Dussel hatte den im Hotelrestaurant vergessen, und Bäckström hatte sich des Pullovers erbarmt. Außerdem war es so kalt gewesen wie in einem Eskimoarsch, dabei war es Anfang August gewesen.
Kommissar Lewin hatte den mutmaßlichen hellblauen Pullover nicht eines Gedankens gewürdigt. Er war zu alt, um auf diese Weise durch die Gegend zu rennen und sich als Sachensucher zu betätigen. Alle, die wussten, worauf es ankam, wussten auch, dass man Wesentliches von Unwesentlichem trennen musste, Großes von Kleinem, und man musste genau hinsehen, um festzustellen, was wozu gehörte. Die Wohnung von Lindas Mutter war da ein Beispiel. Außerdem hatte er eine Hilfe, der er die praktische Wühlarbeit zuschieben konnte.
»Ich verstehe genau, was du meinst, Janne«, sagte Eva Svanström. »Ich verstehe nicht, warum Bäckström und alle anderen fest davon überzeugt sind, dass es hier um Linda geht. Das habe ich mir schon die ganze Zeit überlegt. Vielleicht wollte er zu ihrer Mutter? Ich hab mir aus purer Neugier ihr Passfoto angesehen, und wenn sie aussieht wie auf dem Bild, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass es in ihrem Leben an Kerlen fehlt.«
»Wir wollen jetzt nichts überstürzen… Eva«, sagte Lewin, da sie allein waren, und ihm wäre es lieber gewesen, sie hätte ihn nicht Janne genannt, sondern Jan, egal, ob sie allein waren oder nicht.
Lewin erklärte, das meiste weise darauf hin, dass Linda gemeint war. Linda war das Opfer, und egal, welche Grausamkeiten ihr zugefügt worden waren, schien sich die Tat gegen sie gerichtet zu haben. Es war eine sehr persönliche und sehr private Tat. Dass der Täter sie danach in ihre Bettdecke gewickelt und sorgfältig ihr Gesicht und ihren Körper bedeckt hatte, brachte starke Schuldgefühle, Angst und die Tatsache zum Ausdruck, dass er ihren Anblick einfach nicht ertragen konnte.
In der Welt, in der Lewin lebte, war auch das ein sicheres Zeichen. Es war etwas, das die üblichen Sexualverbrecher, mit denen er ja auch zu tun hatte, niemals taten. Denen ging es eher darum, das Opfer auf sexuell herausfordernde Weise zu exponieren, soweit das überhaupt möglich war. Um es nach dem Tod noch weiter zu schänden, um die zu schocken, die es fanden, und jene, die nach ihm suchen würden. Aber vor allem, um die eigene Phantasie anzuregen, während die Tat geschah, und um zur zukünftigen Verwendung Erinnerungen zu speichern. Und es passte auch nicht zu Ehemännern, Verflossenen und allen vorstellbaren Kategorien von männlichen Bekannten, die wütend vor Eifersucht, Suff und einfachem Irrsinn auf ihre Frauen und Freundinnen losgingen und sie zerstückelten und den Tatort in einen Schlachthof verwandelten.
Und dann gab es noch die Details. Kleine, aber nicht uninteressante, und die wiesen eher auf Linda als auf die Mama hin. Die Mama hatte ihre Wohnung einen Monat lang nicht benutzt. Mit Beginn der Sommerferien war sie in ihr Ferienhaus übergesiedelt. Wenn sie ein seltenes Mal in die Stadt gekommen war, hatte sie
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