Moerderische Idylle
Geschichte, dass der Mörder in der Mordnacht auch bei ihr einbrechen wollte.«
»Genau, genau die«, sagte Lewin, der endlich das Gefühl hatte, ein wenig Ordnung und System in seine Gedanken bringen zu können. Ein wenig Struktur ins Dasein.
»Aber ich verstehe noch immer nicht, worauf du eigentlich hinauswillst«, sagte Svanström.
»Ich auch nicht. Ehrlich gesagt«, sagte Lewin. »Weißt du was, Eva. Mach Folgendes. Ruf Margareta Eriksson an und frag sie.«
»Aber du weißt noch immer nicht, warum ich das machen soll?«, fragte Svanström.
»Es ist der pure Schuss in den Nebel«, sagte Lewin und lächelte müde. »Ein Schuss in den Nebel auf ein unbekanntes Ziel«, fügte er hinzu.
»Wenn es dich glücklich macht«, sagte Eva und zuckte mit den Schultern.
47
Nach der Mittagspause war plötzlich Schluss mit der Ruhe und der friedlichen Suche nach sinnvollen Strukturen, und ein hellblauer Pullover hatte sich plötzlich in etwas ganz anderes verwandelt. Laute Stimmen, Gerenne auf dem Gang, knallende Türen, von Essen und Adolfsson, die mit Schulterholstern, Dienstwaffen und düsteren Mienen im Raum der Ermittlertruppe auftauchten, sich Sandberg und Salomonson schnappten, einen zivilen Dienstwagen aus der Garage holten, auf der Straße sofort das Blaulicht aufs Dach setzten und im gestreckten Galopp nach Kalmar preschten.
Zwei Stunden zuvor war draußen bei Björnö, zehn Kilometer im Norden von Kalmar, eine Vergewaltigung geschehen, und im Unterschied zu ihrer eigenen, inzwischen eine Woche zurückliegenden Vergewaltigungsgeschichte, konnte dieses Mal nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass sie es mit echter Ware von der schlimmsten Sorte zu tun hatten. Das Opfer war ein Mädchen von vierzehn Jahren. Zusammen mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester und der gleichaltrigen Freundin der Schwester war sie gleich nach dem Frühstück zum Strand gegangen, um zu baden, sich zu sonnen und mit ihrer Schwester und deren Freundin zusammen zu sein.
Nach ungefähr einer Stunde am Strand war das vierzehn Jahre alte Opfer losgegangen, um in einem nahe gelegenen Kiosk Eis und Limonade zu kaufen. Sicher nicht zufällig, wo sie doch die Jüngste war. Als sie den zwischen Strand und Kiosk gelegenen Wald durchquerte, stürzte sich der Täter von hinten auf sie, zog sie ins Gebüsch, schlug sie halb bewusstlos und vergewaltigte sie. Als sie nach einer halben Stunde noch nicht zurückgekehrt war, wurden die ältere Schwester und deren Freundin nervös, und sie machten sich auf die Suche nach ihr. Auch das nicht zufällig, nach allem, was die Medien über den Lindamord gebracht hatten. Nach hundert Metern fanden sie die jüngere Schwester. Der Täter saß rittlings auf ihr drauf. Sie schrien los, und der Täter stürzte davon.
Eine halbe Stunde später war das Opfer unterwegs zum Krankenhaus in Kalmar, die Polizei war vor Ort, der Tatort war abgesperrt worden, und die ersten Zeugen wurden vernommen. Eine Hundestreife war unterwegs und wurde sehr bald erwartet. Kurz und zusammengefasst, es war voller Einsatz angesagt, und die Streifen, die die Umgebung absuchten, hatten außerdem eine schöne Täterbeschreibung zu ihrer Hilfe. Die ältere Schwester und ihre Freundin schilderten einen Mann, der dem, den das Vergewaltigungsopfer in Växjö eine Woche zuvor beschrieben hatte, ähnelte wie ein Ei dem anderen. Vor allem seine Tätowierungen waren ihnen aufgefallen. Grobe blaue Schlingen, die vielleicht Schlangen oder Drachen darstellen sollten, an beiden Armen, von den Schultern bis zu den Händen hinab.
»Da hab ich wirklich kein gutes Gefühl«, sagte Anna Sandberg, als sie und ihre Kollegen in Kalmar die Wache betraten, und dabei dachte sie an die Geschichte in Växjö, die sie noch am Morgen als Falschanzeige hatte abschreiben wollen.
»Du denkst an die Tätowierungen«, sagte Salomonson.
»Ja«, sagte Anna. »Da hab ich wirklich kein gutes Gefühl.«
»Verbeiß dich nicht in die«, sagte Adolfsson tröstend. »Jeder Scheißgauner mit Selbstachtung hat Tätowierungen im Moment. Die sehen doch allesamt aus wie alte Fußmatten aus China.«
»Jetzt bin ich fertig, du kannst dich also entspannen, Janne«, sagte Svanström und winkte Lewin, der in sich zusammengesunken hinter Haufen ganz anderer Papiere an seinem Schreibtisch saß, aufmunternd mit einem Papierstapel zu.
»Ich lausche gespannt«, sagte Lewin und ließ sich im Sessel zurücksinken.
»Es ist nicht ganz so einfach, wie ich gedacht
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