Moerderische Idylle
seine Kaffeetasse hin. »Drehen wir eine Runde auf dem Valiant?«
»Allzeit bereit, Papa«, antwortete Jan.
Und dann wachte er auf.
49
Växjö, Dienstag, 5. August Das vierzehn Jahre alte Vergewaltigungsopfer aus Kalmar hatte überlebt. Ihr Zustand wurde als kritisch, aber stabil geschildert, und aus der Beschreibung ergab sich auch, dass sie nicht mit dem Leben davongekommen wäre, wenn ihre Schwester und deren Freundin den Täter nicht in letzter Sekunde verjagt hätten. Sie lieferte auch die Bestätigung dafür, was die Medien schon von Anfang an geahnt hatten. Dass in Smäland ein Serienmörder umging, der junge Frauen vergewaltigte. Mitten in der schwedischen Ferienidylle.
Zuerst hatte er Linda umgebracht. Einige Wochen darauf eine weitere Frau überfallen, und dass ihm das gänzlich misslungen war, wurde von den Experten der Zeitungen als die wahrscheinlichste Erklärung dafür angesehen, dass er sich schon eine Woche später über sein drittes Opfer hergemacht hatte. Der innere Druck war so stark geworden, dass die Gefahr einer Festnahme seine geringste Sorge dargestellt hatte.
Ein Professor der Gerichtspsychologie von der Universität Stockholm, der als führender Kenner der Materie Serienmörder im ganzen Land herumgereicht wurde, konnte auch etliche Beispiele dafür liefern, warum die Polizei so unfähig war, Serien schwerer Gewaltverbrechen frühzeitig zu erkennen. Die Polizei habe keinen Überblick, verbeiße sich in Details, sei unfähig zu interner Kommunikation. Die eine Hand »sah nicht«, was die andere tat. Sie übersahen das Ganze, das Muster, das Offenkundige.
»Man sieht ganz einfach nicht, dass der Kaiser nackt ist«, erklärte der Professor auf dem Morgensofa von TV4. »Wie meinen Sie das«, fragte der Interviewer. »Ja, dass er nackt ist eben«, erklärte der Professor.
Zum ersten Mal in diesem Sommer waren die Medien der Polizei und vor allem der Polizei von Växjö gegenüber kritisch eingestellt. Trotz der vielen Spuren hatte man den Mord an Linda Wallin noch immer nicht aufklären können. Und schlimmer noch, mehreren anonymen Quellen innerhalb der Polizei zufolge war noch keinerlei Ergebnis in Sicht. Obwohl der Mord jetzt fast einen Monat zurücklag, traten die Ermittlungen weiterhin auf der Stelle. Die Neunzehnjährige, bei welcher der Vergewaltiger eine Woche zuvor sein Glück versucht hatte, konnte auch Neues berichten. Die Polizei hatte ihr ganz einfach nicht glauben wollen. Statt einen Täter zu jagen, hatte sie sein Opfer schikaniert, und den Preis für diese Inkompetenz hatte das nächste Opfer bezahlen müssen. Die Leitartikel der Zeitungen sprachen durchweg von einem Polizeiskandal, und die Ermittlertruppe des Lindamords musste sich plötzlich vor allem mit Problemen beschäftigen, die der Großteil von ihnen als pure Phantasie betrachtete.
Schon am Vortag hatte der Bezirkspolizeichef von Kalmar sich an den Kollegen in Växjö gewandt und vorgeschlagen, ein gemeinsames Sonderkommando einzurichten. Ein Mord und zwei Vergewaltigungen innerhalb eines Monats, und das letzte Ereignis ließ ja leider annehmen, dass der Täter wieder zuschlagen würde. Der Bezirkspolizeichef von Växjö zögerte, versprach aber, die Frage sofort mit dem Kollegen zu besprechen, der die Voruntersuchungen im Lindamord leitete, und sich dann wieder zu melden.
Kommissar Olsson setzte die Frage auf Platz eins der Tagesordnung für die Besprechung am Dienstagmorgen und war natürlich für alle Alternativen offen.
»Was meint ihr«, fragte Olsson und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. »Ich neige ja doch stark zu der Annahme, dass es sich bei den beiden Vergewaltigern um denselben Mann handelt, wo die Beschreibungen der Zeuginnen fast bis aufs Haar miteinander übereinstimmen.«
»Und der Lindamord«, fragte Bäckström sauer. »Hat er den auch begangen?«
»Das Problem ist da wohl, dass wir keine Beschreibung haben«, sagte Olsson vorsichtig.
»Ja, aber das ist so ungefähr das Einzige, was wir nicht haben«, sagte Bäckström. »Denn diesen Täter kriegen wir bald. Aber glaubt hier irgendwer im Ernst, dass Linda diesen Tätowierungsgnom um drei Uhr nachts in ihre Wohnung gelassen hätte? Dann bitte ich um Handzeichen.«
»Entschuldige die Unterbrechung«, sagte Lewin und räusperte sich vorsichtig. »Wie steht es mit dem letzten Opfer? Konnte da Sperma sichergestellt werden?«
»Ja«, sagte Sandberg.
»Dann werden wir jedenfalls sehr bald feststellen, ob es einen
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