Moerderische Idylle
außer sich. Einerseits wegen der inkompetenten Weise, in der die Polizei im Mord an Linda ermittelte. Andererseits aus rein persönlichen Gründen, im Hinblick auf die groben Schikanen, denen er ausgesetzt gewesen war.
Ohne an sich und die Gefahr zu denken, in die er sich damit begab, hatte er sich als Zeuge gemeldet, um der Polizei behilflich zu sein. Das war für Gross selbstverständlich, wie es das für jeden normal denkenden Menschen sein musste, der in einer Demokratie und einem Rechtsstaat lebte. Er als Flüchtling aus dem von der Sowjetunion geknechteten Polen wusste nun wirklich, wie es war, in einer Diktatur zu darben. Sein Engagement hatte noch dazu persönliche Gründe. Er hatte das Opfer und seine Mutter gekannt, wunderbare Menschen und die besten Nachbarinnen, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte, meinte Gross. Und da zudem vieles dafür sprach, dass er Lindas Mörder gesehen hatte und ihn beschreiben konnte, war die Art und Weise, wie die Polizei ihn behandelt hatte, unbegreiflich und zutiefst beleidigend.
Zweimal waren sie mit Gewalt in seine Wohnung eingedrungen und hatten ihn auf die Wache geschleppt, hatten ihn rassistisch beschimpft, ihn rund um die Uhr verhört und ihn gezwungen, seine DANN-Probe abzuliefern, obwohl sie nicht den Hauch eines Beweises gegen ihn vorlegen konnten. Außerdem hatten sie dann noch die Frechheit besessen zu behaupten, er habe das freiwillig und auf eigenen Wunsch hin getan.
Jetzt, wo das Ergebnis dieser Probe vorlag, hatten er und sein Anwalt mehrere Briefe und Anrufe gebraucht, ehe die Polizei sich dazu herabgelassen hatte, ihm mitzuteilen, dass er nunmehr aus der Ermittlung gestrichen sei. Was bedeutete, dass er unschuldig war und mit dem Mord an Linda nicht das Geringste zu tun hatte. Was für ihn selbst und jeden denkenden Menschen auf der Hand lag, nicht aber für die Polizei von Växjö und ihre Handlanger von der Zentralen Kriminalpolizei in Stockholm.
Gross war auch nicht der Einzige, der so misshandelt worden war. In einem groß aufgemachten Artikel in derselben Zeitung wurde auf eine hochstehende Quelle innerhalb der Polizei verwiesen, die berichtete, dass im Zusammenhang mit der Lindaermittlung DANN-Proben von an die tausend Personen in der Umgebung von Växjö eingeholt worden waren. Die große Mehrheit dieser Personen waren normale, unbescholtene, hart arbeitende Menschen. Sämtliche Analyseergebnisse, die bisher vorlagen, zeigten, was niemanden überraschen konnte, dass sie allesamt unschuldig waren.
Drei von ihnen waren in der Zeitung interviewt worden, und eine dieser drei, die freiwillig eine DANN-Probe hatten abliefern müssen, war seltsamerweise eine Frau. Alle waren unzufrieden, und die Freiwilligkeit, auf die man sich bei der Polizei berief, stimmte nicht mit ihren eigenen Erlebnissen überein. Sie hatten nicht das Gefühl gehabt, eine Wahl zu haben, ganz einfach, und um sich weitere Schikanen zu ersparen, hatten sie der Polizei den Gefallen getan. Das aber freiwillig zu nennen war wirklich ein schlechter Witz.
Vor allem die Frau war empört, und sie begriff außerdem nicht, was das überhaupt sollte. Alle Welt wusste doch inzwischen, dass Linda von einem Mann ermordet worden war, und was die Polizei also mit ihrem DANN-Profil wollte, war ein Mysterium. Für sie zumindest.
Die Frage war natürlich an die Pressesprecherin der Polizei von Växjö weitergereicht worden, aber die hatte sich nicht dazu äußern wollen. Die Ermittlungsleitung gebe keine Kommentare ab zu den Maßnahmen, die sie in diesem Fall ergriff. Ganz allgemein wäre das kontraproduktiv, und schlimmstenfalls würde es ein ansonsten positives Ermittlungsergebnis gefährden oder sogar ruinieren.
Der Experte, an den die Zeitung sich nun gewandt hatte, wurde nicht von dieser polizeilichen Arbeitsethik gehemmt. Er sah nur eine mögliche Erklärung. Die freiwillig speichelnde Frau hatte vermutlich einen Sohn, für dessen DANN die Polizei sich interessierte, den sie aber offenbar nicht hatte ausfindig machen können. Die Frau sagte, das stimme an und für sich. Sie habe durchaus einen Sohn, doch wie er der Polizei bei der Klärung des Lindamordes helfen solle, sei ihr unbegreiflich. Seiner Mutter zufolge konnte er keiner Fliege etwas zuleide tun, und außerdem lebte er seit zwei Jahren in Thailand.
»Ich glaube ganz einfach, dass die Polizei nicht mehr weiß, was sie tut«, sagte die Mutter abschließend in einem längeren Interview.
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