Moerderische Idylle
glaubte der Flugkapitän nicht. Er hatte zwar noch eine Tochter, die fuhr aber niemals Auto und besaß auch gar keinen Führerschein. Sie wohnte seit mehreren Jahren in Kristianstad, wo sie als Anwältin tätig war, sie besuchte ihre Eltern außerdem nur selten, und aus der Beschreibung des Papas entnahm Salomonson, dass seine Lieblingstochter die Flughafenangestellte war, nicht die Anwältin.
»Und andere Kinder oder Enkelkinder habe ich nicht«, sagte der Flugkapitän. »Nicht dass ich wüsste, jedenfalls«, fügte er hinzu und sah ziemlich zufrieden aus.
Wie könne er so sicher sein, dass der Wagen nicht am Morgen des 7. Juli gestohlen wurde, wollte Salomonson wissen.
Eigentlich war der Besitzer des Autos sich da gar nicht sicher. Zuerst hatte er gar nicht bemerkt, dass der Wagen nicht an seiner normalen Stelle auf dem Parkplatz draußen in Höstorp stand, obwohl er seinen eigenen Wagen gleich daneben gestellt hatte. Als er aber sah, dass beide Schlüssel des Wagens an ihrem üblichen Haken im Schlüsselschrank in der Diele seiner Wohnung hingen, witterte er dann doch Ungemach. Er ging wieder auf den Parkplatz, um noch einmal nachzusehen, für den Fall, dass er den Wagen anderswo abgestellt und das dann vergessen hatte. Dabei traf er seinen nächsten Nachbarn und sprach mit ihm darüber. Der Nachbar konnte sich genau daran erinnern, den Wagen während des Wochenendes dort gesehen zu haben, und das alles habe er übrigens der Polizei schon erzählt, als er den Diebstahl gemeldet hatte.
Das Einfachste, so der pensionierte Flugkapitän, wäre es vielleicht, direkt mit dem Nachbarn zu sprechen, das Problem war nur, dass der Nachbar der Hitze von Smäland zu entfliehen versuchte, weshalb er sich auf einer Wanderung durch die lappländischen Berge befand und nach eigener Aussage erst in vierzehn Tagen zurückkehren würde. Und dann sei da noch etwas, das er nicht verstand.
»Da ist noch etwas, das ich nicht richtig verstehe«, sagte der Flugkapitän und sah Salomonson neugierig an. »Warum interessiert es euch so brennend, wer dieses Schrottauto gestohlen hat?«
»Das gehört zu einer neuen Initiative, die wir hier in Växjö gestartet haben«, sagte Salomonson und versuchte, so überzeugend zu klingen, wie das überhaupt nur möglich war. »Wir versuchen, uns mehr auf die sogenannte Alltagskriminalität zu konzentrieren«, fügte er hinzu.
»Ich hätte gedacht, ihr hättet Wichtigeres zu tun«, sagte der Flugkapitän und schüttelte den Kopf. »Diesen Eindruck kriegt man jedenfalls, wenn man Zeitung liest. Man fragt sich wirklich, wie es mit diesem Land noch enden soll«, fügte er hinzu.
Abschließend und weil ihnen nichts Besseres einfiel, hatten sie zwei ganze Tage in der Nachbarschaft Klinken geputzt. Sie hatten bei denen angefangen, die Blick auf den Parkplatz hatten, und danach mit dem übrigen Wohnviertel weitergemacht. Die Hälfte derer, bei denen sie geklingelt hatten, war nicht da gewesen. Sie hatten Mitteilungen hinterlassen, und zumindest einige hatten sich dann doch noch bei der Polizei gemeldet. Offenbar hatten mehrere sich auch bei anderen als der Polizei gemeldet, denn etliche Journalisten riefen nun auf der Wache an und tauchten in der Gegend auf, um ihre eigenen Untersuchungen anzustellen. Die Nachricht, dass die Polizei sich für ein gestohlenes Auto interessierte, das etwas mit dem Lindamord zu tun hatte, war von den meisten Medien schon nach wenigen Stunden aufgeschnappt worden.
Nur eine der vielen befragten Personen in der Nachbarschaft hatte etwas Brauchbares erzählen können, aber wenn man bedachte, was sie erzählt hatte, dann wäre man ohne sie vielleicht besser dran gewesen. Rogersson hatte, als er die Vernehmungsprotokolle auf seinem Schreibtisch durchgegangen war, mit einer Büroklammer einen Notizzettel daran befestigt: »Verwirrte alte Dame. Erst mal beiseitelassen. JR.«
Anna Sandberg hatte mit dieser Nachbarin gesprochen. Frau Brita Rudberg, zweiundneunzig, alleinstehende Rentnerin, die in der dem Parkplatz nächstgelegenen Wohnung lebte. Ihre Wohnung lag eine Treppe hoch und hatte einen Balkon mit Blick auf besagten Parkplatz. Auf diesem Balkon wollte sie gesessen haben, als sie ihre Beobachtungen im Zusammenhang mit dem gestohlenen Saab gemacht hatte. Jeden Morgen in diesem Sommer saß sie eine Weile auf dem Balkon, bis es zu warm wurde, und eben an diesen Morgen konnte sie sich sehr gut erinnern. Es war gegen sechs Uhr am Freitag, dem 4. Juli, ungefähr um
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