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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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die Zeit, um die sie im Sommer immer aufwachte. Wenn es draußen dunkel war, schlief sie immer länger, aber auch mitten im Winter erwachte sie doch nie später als halb sieben.
    Sandberg hatte diese Zeugin zumindest anfangs für zuverlässig und klar im Kopf gehalten, auch wenn sie schon zweiundneunzig war und offenbar keine Ahnung von dem Mord hatte, der einen Monat zuvor geschehen war, und noch viel weniger davon, dass das Auto, nach dem sie hier gefragt wurde, gestohlen worden war. Wie konnte sie so sicher sein, dass es Freitag, der 4. Juli, gewesen war?
    »Aber das weiß ich sehr gut«, erklärte Sandbergs Zeugin und lächelte sie an. »Das war mein Geburtstag, ich wurde zweiundneunzig«, fügte sie hinzu. »Ich hatte mir am Vortag in der Konditorei in der Stadt ein Stück Prinzessinnentorte gekauft, um etwas zum Feiern zu haben, und ich weiß noch, dass ich die Torte zu dem Kaffee gegessen habe, den ich morgens immer trinke. Ich habe ihm sogar guten Morgen gesagt«, erklärte sie. »Er fummelte an dem Auto herum, und ich weiß noch, dass ich dachte, er will bestimmt aufs Land fahren, wo er so früh schon auf ist.«
    »Können Sie den Mann beschreiben, der sich am Auto zu schaffen gemacht hat und dem Sie guten Morgen gesagt haben«, fragte Sandberg, und ohne es zu wissen, spürte sie plötzlich die gleichen Vibrationen wie Bäckström so oft, obwohl er sich dabei fast immer irrte.
    »Ich hatte den Eindruck, dass es der Sohn war«, sagte die Zeugin. »Er sah ihm jedenfalls sehr ähnlich. Er sieht nämlich sehr gut aus. Wie die Burschen ausgesehen haben, als ich jung war«, erklärte sie.
    »Der Sohn?«, fragte Sandberg.
    »Ja, der Sohn vom Flugkapitän, von dem Flugkapitän, dem das Auto gehört«, erklärte die Zeugin. »Er hat einen Sohn, der dem jungen Mann, dem ich guten Morgen gesagt habe, sehr ähnlich sieht. Dunkel, elegant, durchtrainiert ist er außerdem.«
    »Hat er Ihren Gruß erwidert«, fragte Sandberg. »Als Sie ihm guten Morgen gesagt haben, meine ich.«
    Jetzt wirkte die Zeugin unsicher. Möglicherweise hatte er genickt, aber ganz sicher war sie sich nicht. Dagegen war sie ganz sicher, dass er sie angesehen hatte. Mehrere Male sogar.
     
    Ob sie noch wusste, wie er angezogen war? Auch hier war sie unsicher. Vermutlich so, wie junge Männer in seinem Alter eben, wenn es heiß war und sie aufs Land hinausfahren wollten.
    »So eine Freizeithose und so ein Freizeithemd«, sagte sie und machte plötzlich einen ziemlich unsicheren Eindruck.
    »Kurze oder lange Hose«, wollte Sandberg wissen und gab sich zugleich alle Mühe, ruhig und freundlich zu sprechen und der Zeugin keine Antwort in den Mund zu legen.
     
    Kurz oder lang? Dazu wollte die Zeugin sich lieber nicht äußern, aber wenn sie sich schon entscheiden musste, dann eben kurz, einfach weil es so heiß war. Bei der Farbe war sie sich auch nicht ganz sicher. Weder was die kurze oder eventuell lange Hose anging, noch beim Hemd. Sie hatte nur noch die Vorstellung, dass Hose und Hemd dunkel gewesen waren. Jedenfalls nicht weiß, denn das hätte sie noch gewusst.
     
    Seine Schuhe? Ob die ihr aufgefallen waren? Jetzt zögerte sie noch länger. Schuhe bemerkt man doch eigentlich nicht? Wenn es ausgefallene Schuhe gewesen wären, dann hätte sie das sicher gesehen. Vermutlich waren es solche »Gummischuhe«, mit denen heutzutage alle jungen Leute herumlaufen.
     
    Barfuß? Er könnte nicht barfuß gewesen sein? Nein, wirklich nicht. Das wäre ihr doch sicher aufgefallen, und sie hatte zwar nie den Führerschein gemacht, aber sie hatte doch immerhin begriffen, dass man niemals barfuß Auto fuhr.
    »Gummischuhe«, wiederholte Frau Rudberg und nickte. »Solche, wie alle jungen Leute sie heute tragen.«
     
    In zwei Punkten jedoch war sie sich ganz sicher. Erstens, dass es ihr Geburtstag gewesen war, der Tag, an dem sie zweiundneunzig geworden war, Freitag, der 4. Juli, gegen sechs Uhr morgens. Zweitens, dass er sich ungefähr zehn Minuten am Auto zu schaffen gemacht hatte und dann losgefahren war, und im Hinblick auf die frühe Stunde und seine Kleidung war sie ganz sicher, dass er zu Frau und Kind aufs Land gewollt hatte. In einem dritten Punkt war sie sich fast sicher. Falls es nicht der Sohn des Flugkapitäns gewesen sein sollte, dann hatte er diesem jedenfalls sehr ähnlich gesehen. Dunkel, fesch, durchtrainiert, fesch auf diese Weise, wie die Burschen es früher waren.
     
    »Können Sie sich von diesem Morgen noch an etwas anderes erinnern«,

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