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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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nichts gesagt«, fragte Eva. »Dann wäre es doch keine Überraschung gewesen«, antwortete Lewin.
    »Das wird total spannend. Ich war noch nie in Kopenhagen«, sagte Eva.
     
    Zuerst gingen sie ins Tivoli, um Achterbahn und Karussell zu fahren. Danach spazierten sie gemächlich durch die Einkaufsmeile Stroget. Sie fanden in Nyhavn eine gemütliche Kneipe und nahmen eine echt dänische Brotzeit mit Hering, belegten Broten und dem üblichen Zubehör zu sich. Die Sonne schien wie in Smäland, aber die Hitze war hier nicht ganz so unerträglich, und Lewin hatte sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt. Es ging ihm sogar so gut, dass er die Kraft fand, die Gedanken, die ihn seit vielen Tagen quälten, zumindest zu erwähnen.
    »Wir sollten vielleicht etwas Richtiges aus unserem Leben machen, Eva«, sagte Lewin und drückte ihre Hand.
    »Mir geht’s gut«, sagte Eva. »Mir ist es noch nie so gut gegangen wie gerade jetzt.«
    »Wir denken daran«, sagte Lewin, und dann war der Augenblick einfach verflogen, aber noch immer war alles gut, sogar noch genauso gut, und obwohl er es vielleicht niemals wagen würde, es noch einmal zu sagen.
    »Was sagst du denn zu unserem neuen Chef«, fragte Eva, die lieber ohne viel Aufhebens das Thema wechselte. »Diesem Lars Martin Johansson?«
    »Ich kenne ihn sogar persönlich«, sagte Lewin. »Wir hatten eine Ermittlung zusammen, als er noch bei der normalen Polizei war. Das muss an die dreißig Jahre her sein. Vor deiner Zeit. Der Mariamord. Eine Frau, die in ihrer Wohnung in Enskede erwürgt und vergewaltigt aufgefunden wurde.«
    »Erzähl«, sagte Eva und verflocht ihre Finger mit den seinen. »Wie ist er als Mensch? Johansson, meine ich.«
    »Als Polizist war er nicht schlecht«, sagte Lewin. »Die Kollegen haben immer Witze darüber gemacht, dass er um die Ecke schauen könne. Er besaß eine geradezu unheimliche Fähigkeit, sich die wahren Sachverhalte zusammenzureimen.«
    »Der Polizist, der um die Ecke schauen konnte«, sagte Eva Svanström entzückt. »Klingt fast wie eine Fernsehserie. Und wie war er als Mensch«, fügte sie hinzu.
    »Wie war er als Mensch«, wiederholte Lewin. »Als Mensch war er wohl so einer, der über Leichen gehen konnte, ohne sich auch nur zu überlegen, wohin er seine Füße setzte.«
    »Meine Güte. Das hört sich wirklich nicht gerade sympathisch an«, sagte Eva.
    »Ich kann mich irren«, sagte Lewin. »Wir waren uns nicht gerade ähnlich. Kann ja einfach sein, dass ich ihn nicht verstanden habe.«
    »Klingt jedenfalls nach einer komplexen Persönlichkeit«, sagte Eva.
    »Die Kombination, Dinge erkennen zu können und zugleich keinerlei Interesse an den Konsequenzen zu haben, die hat mir vielleicht Angst gemacht«, sagte Lewin. »Aber sollen die nicht so sein, die Superbullen? Alles sehen, sich alles zusammenreimen und keinen Gedanken daran verschwenden, was aus den Menschen wird, um die es im Grunde doch geht?«
    »Schlimmstenfalls lassen wir uns eben versetzen«, sagte Eva. »Bewerben uns anderswo. Ich weiß, dass sie in Stockholm Leute brauchen. Mein alter Chef hat mich sogar schon gefragt.«
    »Wäre eine Überlegung wert«, sagte Lewin, und aus irgendeinem Grund beugte er sich vor, fuhr ihr durch die Haare und schnupperte behutsam zwischen ihrem rechten Ohrläppchen und ihrer Wange. Schlimmstenfalls ist es nicht schlimmer, und besser wird es nie im Leben, dachte er.
     
    63
     
    In der Nacht nach ihrer Rückkehr aus Kopenhagen träumte Lewin von diesem Sommer vor fast fünfzig Jahren, als er sein erstes richtiges Fahrrad bekommen hatte. Ein rotes Crescent Valiant. Und sein Vater hatte sich fast den ganzen Sommer freigenommen, um ihm Rad fahren beizubringen.
    Am schwersten ist die Stelle, wenn sie fast wieder zu Hause sind. Wenn er über den Kiesweg zum Haus fahren muss. Die letzten zwanzig Meter zwischen dem weißen Gartenzaun und dem roten Eingang.
    Jetzt lass ich los, ruft Papa, und Lewin umklammert den Lenker und strampelt und strampelt und kippt im losen Kies um. Und diesmal verletzt er sich wirklich. Schrammt sich beide Ellbogen und Knie auf, und die Vorstellung, Rad fahren zu lernen, kommt ihm plötzlich hoffnungslos und sinnlos vor.
    Hoch und auf die Beine, Jan, sagt Papa, hebt ihn hoch und fährt ihm durch die Haare. Und dann gibt’s Kakao und Käsebrote und ein bisschen Hansaplast.
    Und dann war alles wie immer.
     
    64
     
    A m Sonntag legte Johansson sich auf das Sofa in seinem Wohnzimmer in der Wollmar Yxkullsgata auf Södermalm in

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