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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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ist doch dieses Frauenzimmer, das in einem alten rosa Kittel durch die Gegend rennt? Die ist mir hier auf der Wache begegnet. Gehört offenbar zum Kreis von Kollege Olsson.«
    »Jetzt hab ich es dir immerhin gesagt«, betonte Sandberg aus irgendeinem Grund.
    »Nett von dir, Anna«, sagte Bäckström und lächelte so entspannt, wie er nur konnte. »Bei diesem Job muss man sich allerlei Scheiß gefallen lassen«, fügte er mit einem müden Seufzer hinzu. Und Zeugen haben sie auch nicht, dachte er.
     
    Die Narkoseärztin war nicht leicht zu erreichen gewesen. Sowie sie an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt war, hatte man ihre Dienste im Operationssaal stark in Anspruch genommen, und deshalb konnte sie sich erst nachmittags mit Lewin treffen. Wenn es wichtig genug sei. Und wenn es nicht um Dinge gehe, die sich nicht mit ihrer Schweigepflicht vereinbaren ließen, und wenn er zu ihr komme und nicht umgekehrt, da er ja am Telefon nicht sagen wolle, was anlag.
    Aber als er dann in ihrem Zimmer im Krankenhaus saß, ging alles schmerzlos und über alle Erwartungen gut. Weißer Kittel und Stethoskop in der Brusttasche. Kurz geschnittene blonde Haare, gut aussehend und durchtrainiert, wache blaue Augen und ein Blick, der Mitgefühl, Verständnis und Humor zeigte. Attraktive Frau, dachte Lewin. Was immer das mit dem Fall zu tun hatte, dachte er.
    Ohne näher auf die Ursache einzugehen, brachte Lewin rasch seine Fragen vor. Hatte sie irgendeinen seltsamen Telefonanruf erhalten? Vor allem interessierten ihn Anrufe am Abend vor ihrem Urlaubsbeginn, in der Nacht oder am frühen Morgen ihres ersten Urlaubstages.
    »Um den 4. Juli herum«, erklärte Lewin.
    »Es geht hier um den Mord an der Polizeianwärterin? Oder was?« Sie sah ihn neugierig an, und die Aktivität hinter den blauen Augen war deutlich zu sehen.
    »Das hab ich nicht gesagt«, sagte Lewin und deutete ein Lächeln an. Fast ein wenig zu attraktiv, dachte er.
     
    Das hatte er natürlich nicht gesagt. Sie hatte es gesagt, und sie rechnete nicht mit einer Antwort. Sie konnte sich die Sache ohnehin zusammenreimen. Vierundzwanzig Stunden zuvor, als sie aus ihrem Auslandsurlaub zurückgekehrt war, hatte sie noch keine Ahnung vom Lindamord gehabt. Nachdem sie alte Zeitungen gelesen und bei der Arbeit zwei Kaffeepausen eingelegt hatte, wusste sie jetzt ebenso viel wie alle anderen.
    »Mir ist in meinem ganzen Leben noch kein richtiger Mordermittler begegnet. Und schon gar nicht von der Zentralen Mordkommission«, sagte sie.
    »Das ist sicher ein schönes Gefühl«, sagte Lewin.
    »Also bin ich fast ein bisschen froh, wenn ich Sie so sehe«, sagte sie.
    »Danke«, sagte Lewin. In welche Richtung geht dieses Gespräch hier eigentlich, dachte er.

»Sie scheinen aus dem richtigen Holz geschnitzt. Sagt ihr Jungs nicht so? Aus dem richtigen Holz«, wiederholte sie. »Und es ist durchaus möglich, dass ich Ihnen helfen kann. Wenn ich auch nicht weiß, wieso.«
     
    Sie wurde nur selten von Unbekannten angerufen. Fast alle Anrufe hatten außerdem mit ihrer Arbeit zu tun. Natürlich kam es vor, dass irgendwer die falsche Nummer erwischte, aber solche Anrufe vergaß sie schnell wieder. Und über telefonische Belästigungen hatte sie sich in ihren fast zwei Jahren in Växjö keine Sorgen zu machen brauchen.
    »Keine Telefonwichser«, sagte sie. »Hoffentlich weil ich eine Geheimnummer habe und nicht, weil ich alt werde«, erklärte sie und lächelte.
    Das war der eine Grund, aus dem sie sich an diesen Anruf erinnerte.
    Der andere war, dass sie am Freitag, dem 4. Juli, in den Urlaub fahren wollte. Sie wollte mit dem Zug nach Kopenhagen fahren und am späten Abend von dort nach New York fliegen, und die Voraussetzung dafür, dass sie das alles schaffte, war, dass sie Växjö um spätestens vier Uhr nachmittags verließ. Das Einzige, was ihre Pläne umwerfen konnte, war ein ernsthafter Zwischenfall im Krankenhaus, bei dem ihre Anwesenheit erforderlich sein würde. In letzter Minute hatte sie am Freitagvormittag nämlich noch einmal einspringen müssen. Der Vater eines Kollegen hatte einen Infarkt erlitten.
    »Ich schlief schon, und als mitten in der Nacht das Telefon klingelte, dachte ich, das war’s dann wohl mit dem Urlaub«, sagte sie.
    Mitten in der Nacht, fragte Lewin. Sie könne nicht zufälligerweise einen genaueren Zeitpunkt angeben?
    »Dem Wecker neben meinem Bett zufolge war es nullzwofünfzehn«, sagte sie und lächelte über Lewins Erstaunen. »Ich verstehe ja, dass Sie wissen

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