Moerderische Idylle
Stockholm. Mixte sich einen ordentlichen Gin Tonic mit viel Eis und las in aller Ruhe die Ermittlungsunterlagen vom Lindamord. Er brauchte den ganzen Nachmittag dazu, aber da seine Frau mit einer Freundin verreist war, hatte er alle Zeit der Welt und nichts Besseres zu tun. Außerdem würde er jetzt, in seinem hohen Amt, einer richtigen Mordermittlung wohl nicht mehr so nahe kommen, dachte Johansson. Vielleicht sollte er sich bei der TP-Gruppe bewerben? Die scheinen doch jede Menge Hilfe zu brauchen, dachte er, als er das Täterprofil überflog.
Was treiben die eigentlich da unten, überlegte Lars Martin Johansson vier Stunden später, als er fertig gelesen, zu Ende gedacht und die Unterlagen beiseitegelegt hatte. Das hätte sich ein echter Polizist ja wohl in der ersten Woche zusammengereimt, dachte er.
65
Växjö - Stockholm, Montag, 18. August - Sonntag, 24. August An diesem Montag, als die Jagd nach Lindas Mörder in die achte Woche ging, hatte Bäckström die ganze Geschichte so langsam ziemlich satt. Sie durften niemanden mehr speicheln lassen, obwohl sogar ein Trottel wie Olsson hätte einsehen müssen, dass sie den Täter auf diese Weise früher oder später und wenn es auf andere Weise nicht klappen sollte, erwischen würden. Und es gab auch keine richtigen Leckerbissen. Keine fetten Ermittlungseinsätze oder vielversprechenden Schurken, die sie sich krallen könnten. Es gab nur vertrottelte Hundertjährige, die sich nicht an ihren Geburtstag erinnern konnten und glaubten, der Täter sehe aus wie jemand, der überhaupt nicht existierte. Und andere sogenannte Zeugen, die nichts gesehen, gehört oder kapiert, die aber trotzdem alles missverstanden hatten. Und endlich waren da noch die üblichen Glühwürmchen und Strahlentussen mit ihren Visionen und Vibrationen aus dem Jenseits. Was zum Teufel machte er hier eigentlich? Am absolut falschen Ort für einen echten Polizisten, höchste Zeit, alles zusammenzupacken und wieder zur Arbeit nach Stockholm heimzukehren, dachte Bäckström.
Außerdem war er in einem Scheißkaff gelandet. Ganz zu schweigen von all den bescheuerten Frauenzimmern, die hier hausten. Dazu kamen noch die Zeitungen, Fernsehsender und Radiosender, die inzwischen offenbar nichts anderes mehr zu tun hatten, als ihm und seinen Kollegen zu erzählen, wie sie eigentlich ihre Arbeit machen sollten. Und dann die Chefs, die durch Abwesenheit glänzten, sowie es galt, sich für das schuftende Fußvolk einzusetzen. Wie zuletzt dieser Scheißlappe, dem der größere der beiden Abenddrachen nicht einen einzigen schnöden Kommentar hatte entlocken können. Wenn man nun glauben wollte, was sie selbst behaupteten, und in diesem Fall glaubte man das nur zu gern, dachte Bäckström.
Und als ob das noch immer nicht genug wäre, tauchte Kollegin Sandberg in seinem Zimmer auf. Schloss die Tür hinter sich und sagte flüsternd ihren kleinen Spruch auf.
»Heute Morgen ist eine Anzeige gegen dich eingelaufen«, sagte Anna Sandberg.
»Was hab ich denn nun schon wieder verbrochen«, fragte Bäckström. »Mehr als meine Arbeit zu tun?« Hab sicher das Zentrale Kriminalbudget für den Einkauf von Wattestäbchen überzogen, dachte er.
Versuchte Vergewaltigung, so die Anzeige. Sexuelle Nötigung, meinte die Kollegin, die die Anzeige aufgenommen und sicherheitshalber nicht auf den allgemeinen Stapel gelegt hatte. »Willst du mich verarschen«, fragte Bäckström, der sich den wahren Sachverhalt schon zusammengereimt hatte. Von allen verrückten Weibsen auf dieser Erde, dachte er.
Leider nicht, so Anna Sandberg. Der Anzeige zufolge hatte Bäckström am späten Abend des 15. August in seinem Zimmer im Stadshotell einerseits das getan, was er wirklich getan hatte, andererseits etliches, was er nicht getan hatte. Das Opfer war eine Mitarbeiterin des Växjöer Lokalradios namens Carin Ägren, zweiundvierzig. Anzeige hatte eine enge Freundin des Opfers erstattet, die den Notruf der Stadt leitete und Moa Hjärten hieß. Und das einzig Positive an der Sache war wohl, dass die Geschädigte Ägren nicht zu erreichen war und dass es wie so oft keine Zeugen gegeben hatte.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Bäckström. »Hab das Mensch nie auch nur angerührt.« Stimmt ja auch, dachte er.
»Das geht mich nichts an«, sagte Sandberg und schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich dachte nur, es wäre besser, wenn du es weißt.«
»An diese Hjärten kann ich mich erinnern«, sagte Bäckström. »Das
Weitere Kostenlose Bücher