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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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glaubhaft.«
    »Nein, das wäre überhaupt nicht glaubhaft«, stimmte die Zeugin zu. »Denn der müsste doch inzwischen so alt sein wie ich, und außerdem ist er sicher schon tot?«
    »Ja«, sagte Lewin. »Ich bilde mir ein, dass er vor ziemlich vielen Jahren gestorben ist.«
    »Den kann ich also nicht gesehen haben«, sagte die Zeugin und nickte.
     
    Als Lewin zur Wache zurückging, meldete sich seine vertraute alte Niedergeschlagenheit zu Wort. Die kleine, mit Möbeln vollgestopfte Wohnung, die Bilder von Familienangehörigen, Verwandten und Bekannten, die alle die Gemeinsamkeit hatten, dass sie tot waren. Der ganz besondere Geruch, den es immer in den Wohnungen älterer Menschen gab, egal, wie sorgfältig sie sich pflegten und obwohl sie vielleicht noch weitere zwanzig Jahre leben würden. Eine Frau von zweiundneunzig, die für ihr Alter gesund und munter war und noch immer allein wohnen, ihren eigenen Kaffee kochen und sogar mit der einen Hand ein Tablett tragen konnte. Kein Rollstuhl, nicht einmal ein Gehgerät, stattdessen all die Kraft und Stärke, die nur nach einem Stock mit Gummizwinge verlangten, um sich auf den eigenen Balkon hinauszubegeben.
    Nicht einmal in der Nähe eines der Vorzimmer zum Tod, den die Altenpflege all denen anzubieten hatte, die weniger glücklich waren als seine Zeugin, auch wenn sie oft sehr viel jünger waren. Linoleumböden, ein ewig laufender Fernseher, an dem niemand mehr den Sender zu wechseln versuchte, ein Bett für die Nacht, die Matratze schräg gestellt als Stütze für einen gebrechlichen Rücken und eine müde Lunge. Und eine Freiheit, die nur darin bestand, dass sie mit dem Ende von allem winkte. Wenn man so klar bei Bewusstsein war zu wissen, dass es dieses Ende gab und dass es geduldig wartete, egal, wer man gewesen war, damals, als man noch ein Leben zu leben hatte.
     
    »Er sah aus wie Clark Gable«, fragte Sandberg eine Stunde später.
    »Aber ohne Schnurrbart«, sagte Lewin und lächelte kurz.
    »Ich hab mir ein aktuelles Foto vom Schwiegersohn des Flugkapitäns besorgt. Er heißt Henrik Johansson, ist achtunddreißig. Das ist dieser Fluglotse, der mit der jüngeren Tochter verheiratet ist«, sagte Sandberg.
    »Und wie sieht er aus«, fragte Lewin.
    »Nicht im Geringsten wie Clark Gable, und du musst wissen, dass du hier mit einer Frau sprichst, die >Vom Winde verweht< viele Male auf Video gesehen hat«, antwortete Sandberg. »Was hältst du von einem Phantombild? Wo wir doch sonst nichts haben«, fügte sie hinzu.
    »Gott bewahre uns«, sagte Lewin und schüttelte den Kopf. »Von Clark Gable?« Da radieren wir einfach den Schnurrbart weg, dachte Lewin, der sich schon ein wenig belebter fühlte.
    Olsson hatte von Bäckström ein Gespräch unter vier Augen erbeten, er wollte über das sprechen, was Bäckström am Vortag schon von Kollegin Sandberg gehört hatte.
    »Ja, das hab ich gehört«, sagte Bäckström freundlich. »Das war offenbar diese Verrückte im rosa Hemd von neulich, als du mich zu dieser Besprechung eingeladen hattest. Ich bin ihr ein einziges Mal begegnet, und das reicht wohl auch. Seid ihr übrigens eng befreundet?«
    »Jetzt darfst du mich nicht missverstehen, Bäckström«, sagte Olsson und hob die Hände zu einer abwehrenden Geste, die sozusagen zu seinem polizeilichen Kennzeichen geworden war. »Ich wollte dich nur vorwarnen, wenn ich das mal so sagen darf. Falls du irgendwelche gemeinen Gerüchte hörst.«
    »Daran hat man sich mit den Jahren ja leider gewöhnen müssen. Weißt du übrigens, Olsson, wie viele Kollegen hier im Land jetzt gerade Opfer von Anzeigen von all den Schurken und Wirrköpfen werden, die wir im Zaum zu halten versuchen?« Bäckström nickte Olsson ermunternd zu, aber der sah nicht so zufrieden aus.
    »Ziemlich viele, leider«, sagte Olsson.
    »An die zweitausend«, sagte Bäckström leidenschaftlich. »Fünfzehn Prozent der gesamten Truppe und so ungefähr alle, die versuchen, ihre Arbeit zu machen.«
    »Ja, das ist entsetzlich«, stimmte Olsson zu, ohne näher darauf einzugehen, was daran so entsetzlich war.
    »Weißt du auch, wie viele von diesen Kollegen dann verurteilt werden?«, fragte Bäckström, der nicht vorhatte, das Thema loszulassen, jetzt, wo er die Überhand hatte.
    »Nicht sehr viele«, sagte Olsson.
    »Du bist witzig, du, Olsson«, sagte Bäckström. »Pro Jahr einer oder zwei. Weniger als ein Tausendstel von all den Kollegen, die sie krampfhaft in den Dreck ziehen wollen.«
    »Ja, das ist wirklich

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