Moerderische Idylle
Tisch, interessiertes Lächeln, neugierige Augen.
»Ja, das erste Mal war doch auf diesem Mittsommerfest bei ihrem Vater, und da war ich…«, antwortete Mänsson und schaute Holt überrascht an.
»Das weiß ich. Das haben Sie gestern schon erzählt«, fiel Holt ihm ins Wort und sah fast ein wenig eifrig aus. »Aber das zweite Mal?«
Das zweite Mal war der pure Zufall gewesen, behauptete Mänsson. Es war einen Monat später gewesen. Sie waren sich in der Stadt über den Weg gelaufen. Nicht gerade überraschend in Växjö. Sie waren ins Gespräch gekommen, hatten sich in ein Cafe gesetzt und Kaffee getrunken. Beim Abschied hatte er Linda seine Telefonnummer gegeben. »Worüber haben Sie gesprochen«, wollte Holt wissen.
Über alles Mögliche, worüber man eben redet, wenn man sich durch Zufall über den Weg läuft und sich vorher erst einmal begegnet ist. Linda war munter und fröhlich, und sie war auch witzig, mit ihrem etwas eigenen Humor. Viele Untertreibungen, viele Sprüche, erzählte Mänsson, und das wusste er zu schätzen, weil das seiner Erfahrung nach bei Frauen eher selten vorkam. Aber eigentlich hatte er ja Lindas Mutter gekannt, und natürlich hatte das ihre erste Unterhaltung unter vier Augen beeinflusst.
»Sie haben auch über die Mutter gesprochen«, stellte Holt überrascht fest, nachdem Mänsson die erhoffte Bresche geschlagen hatte.
Mänsson zufolge hatte Linda dieses Thema zur Sprache gebracht. Plötzlich hatte sie ihn einfach gefragt, und er konnte sich sogar an die genaue Formulierung erinnern.
»Erzähl ein bisschen von meiner kleinen Mams. Habt ihr noch immer so eine wilde Passionsgeschichte, oder was?«
Mänsson hatte sich dann für eine ehrliche, offene Antwort entschieden. Er hatte Linda erklärt, dass von einer Passionsgeschichte niemals die Rede gewesen sein könne. Dass er Lindas Mutter natürlich sehr schätze, eine schöne und kluge Frau. Aber absolut keine Passionsgeschichte. Weder von seiner noch von ihrer Seite. Außerdem seien sie einander nicht gerade ähnlich. Lindas Mutter sei um einiges älter als er und lebe ein ganz anderes und bürgerlicheres Leben. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Da sie das beide eingesehen hatten, ohne auch nur darüber sprechen zu müssen, hatten sie sich immer seltener getroffen, und in letzter Zeit - seit dem Mittsommerabend, an dem er Linda kennengelernt hatte -, hatten sie nur noch telefoniert. Am Tag, ehe Lindas Mutter ins Ausland in den Urlaub gefahren war, hatte er sie angerufen und ihr eine angenehme Reise gewünscht. Sie hatte ihn ziemlich kurz abgefertigt, und wenn es also eine gemeinsame Geschichte gegeben hatte, dann war die damals zu Ende gewesen. Diesen klaren Eindruck hatte das letzte Telefongespräch bei ihm hinterlassen.
»Und wie hat Linda darauf reagiert«, fragte eine unverändert neugierige Anna Holt.
»Sie hat so ungefähr Folgendes gesagt«, sagte Mänsson. »Lucky you. Die kleine Mama ist doch eine richtig miese bitch. Auf Englisch also. Sie hat als Kind doch mehrere Jahre in den USA verbracht«, fügte er hinzu.
An diesem Tag hatten sich zwei von Lewins Fragezeichen begradigt, und zwar auf die Weise, um die ein geläuterter Polizist wie er inzwischen nur noch beten konnte. Zuerst hatte eine siebenundzwanzig Jahre alte Schwesternhelferin aus Kalmar bei der Polizei von Växjö angerufen, um Dinge über den Mord an Linda Wallin zu berichten, die ihr erst an diesem Morgen aufgegangen waren, als sie im Krankenhaus Dagens Nyheter gelesen und erfahren hatte, wer der Lindamann war. Nach der üblichen Runde durch die Telefonzentrale war der Anruf bei Kollege Thoren gelandet, und gleich darauf waren er und Knutsson mit dem Wagen nach Kalmar gefahren, um die Anruferin zu vernehmen.
Am Freitag, dem 4. Juli, hatte Bengt Mänsson sehr früh das Mobiltelefon dieser Frau angerufen. Er war in Kalmar und wollte sich gern mit ihr treffen. Einfach so, spontan, und weil er an diesem Abend in Borgholm das Konzert von Gyllene Tider besuchen wollte. Nach einigem Hin und Her, unter anderem weil sie eine andere Verabredung absagen musste, tauchte Mänsson bei ihr zu Hause auf, und einige Minuten darauf hatten sie Sex miteinander. Damit machten sie an diesem Nachmittag mehr oder weniger weiter, und alles war genauso wie bei ihren früheren drei Treffen mit Mänsson.
Das erste Mal war Mitte Mai gewesen, sie und ihre Kolleginnen hatten das Theater in Växjö besucht, und Mänsson hatte als Cicerone fungiert. Nach der Vorstellung,
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