Moerderische Idylle
noch ehe Bäckström überhaupt Bier eingeschenkt hatte.
Jetzt kommt der alte Bürstenbinder mir schon viel munterer vor, dachte Bäckström, und er selbst war keiner, der Krach schlug, weil sie noch immer seinen Schnaps pichelten.
»Prost, Bruder«, sagte Bäckström. Endlich Samstag, dachte er und kippte den ersten Schluck. Ich bin ein glücklicher Mann, dachte er, als er spürte, wie Wärme und Friede sich in Bauch und Kopf verbreiteten.
11
Växjö, Sonntag, 6. Juli Kriminalkomissar Jan Lewin war noch nie dienstlich in Växjö gewesen. Wenn wir bedenken, dass er in seinen fast zwanzig Jahren als Mordermittler bei der Zentralen Kriminalpolizei die allermeisten schwedischen Städte besucht hatte, größere, ebenso große und in etlichen Fällen sogar noch kleinere, war das in diesem Zusammenhang nicht unwichtig. Aber egal. Jetzt war er dort. Endlich Växjö, dachte Lewin und grinste. Von allen Orten auf dieser Erde, dachte er und schüttelte den Kopf.
Nach der einführenden Besprechung hatte er rasch zu Mittag gegessen und sich dann hinter seinen Schreibtisch gesetzt, um ein wenig Ordnung in die wachsenden Papierstapel zu bringen. Er war fast zwölf Stunden dort sitzen geblieben, den ganzen Samstag über, und als er endlich die Wache in der Sandgärdsgata verließ und den kurzen Fußweg zum Hotel antrat, war die Uhr schon über zwölf hinaus, und es war Sonntag. Und die Haufen auf seinem Schreibtisch waren jetzt womöglich noch höher als nach dem Mittagessen, als er angefangen hatte.
Auf dem Hotelflur, wo er und seine Kollegen wohnten, war alles stumm und verschlossen. Lewin hatte die abgeschlossene Gangtür vorsichtig geöffnet, um die schlafenden Kollegen nicht zu stören. Vor Eva Svanströms Tür blieb er stehen und spielte für einen Moment mit dem Gedanken zu klopfen - ein leises, ganz leichtes Klopfen nur -, um zu sehen, ob sie noch wach war und vielleicht Gesellschaft wünschte. Aber nicht heute Nacht, dachte er. Das musste bis zu einer anderen Nacht warten, die besser wäre als diese hier.
Danach schloss er sich auf seinem Zimmer ein und wusch sich mit Hilfe eines feuchten Handtuchs am Waschbecken. Im Gesicht, unter den Armen und im Schritt, in dieser Reihenfolge, und obwohl er es vielleicht mehr als alles andere in diesem Moment gebraucht hätte, sich unter die Dusche zu stellen und das Wasser strömen zu lassen. Das muss bis morgen warten, dachte er. Nicht um halb eins in der Nacht, wenn die anderen alle schlafen.
Danach ging er ins Bett, und wie immer zu Beginn einer neuen Ermittlung fiel ihm das Einschlafen schwer, und als er dann endlich schlief, wurde er von seinen Träumen gequält. Wie so oft zu Anfang einer neuen Ermittlung oder zu anderen Gelegenheiten, wenn er einfach unruhig oder verstimmt war, aus Gründen, über die er sich fast nie im Klaren war. Es waren Träume, die in wirklichen Ereignissen fußten, die aber immer unterschiedliche Bedeutungen und Formen annahmen. Und wie in so vielen anderen Nächten in Jan Lewins Leben handelten auch die jetzigen von dem Sommer, in dem er soeben sieben geworden war und sein erstes richtiges Fahrrad bekommen hatte. Ein rotes Crescent Valiant.
Gegen halb sechs Uhr morgens erwachte er zum dritten Mal, und nun fasste er seinen Entschluss. Er zog eine Unterhose an, ein kurzärmliges blaues Hemd mit dem Emblem der Zentralen Kriminalpolizei, schnürte sich die Turnschuhe zu, steckte die Schlüsselkarte zu seinem Hotelzimmer in die Tasche, nahm den Stadtplan von Växjö in die Hand und verließ rasch und leise sein Zimmer. Dann habe ich es hinter mir, dachte er, während er auf den Fahrstuhl wartete. Wenn wir bedenken, wie es auf seinem Schreibtisch aussah, würde es sicher dauern, bis er zur Dienstzeit den Tatort besuchen könnte, und in der Welt, in der er lebte, hätte er schon dort gewesen sein müssen.
Draußen schien die Sonne von einem blassblauen Himmel, und es war fast zwanzig Grad, obwohl es erst Viertel vor sechs war. Der Stora Torg lag leer und einsam vor ihm. Kein Mensch. Nicht einmal eine einsame, verlassene Bierdose, die von früherem menschlichen Leben berichten könnte. Er blieb vor dem Eingang zum Nachtclub stehen, und mit Hilfe des Stadtplans steuerte er Lindas Wohnung an. Zuerst schaute er auf die Uhr, um festzustellen, wie lange er für den Weg brauchen würde, und als er sich dann in Bewegung setzte, versuchte er, so schnell zu gehen, wie sie in seiner Vorstellung gegangen war, und hoffentlich denselben Weg, auch wenn
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