Mörderische Kaiser Route
uns.
Wir setzten über die Ruhrbrücke unseren Weg fort und begannen den wohl anstrengendsten Teil unserer Tour. Durch das Tal des Deilbaches kamen wir noch schnell vorwärts, dann wurde die Strecke in Richtung Neviges doch etwas hügeliger. Unser hohes Stundenmittel konnten wir längst nicht mehr halten.
Doch unverdrossen traten wir weiter in die Pedale und atmeten erleichtert auf, als wir den ersten Hinweis auf die Düsselquelle erhielten. Das hörte sich zumindest ein wenig nach Heimat an. „Noch mickrige fünfzehn Kilometer und wir sind im Neandertal“, bemerkte ich zu Dieter, als ich bei einer Rast den detaillierten Wanderführer studierte. Bislang war ich ohne den hilfreichen Spiralblock ausgekommen, die KaiserRoute war in der Tat ausgezeichnet ausgeschildert.
„Das hat etwas mit dem Streben der Aachener nach Perfektion zu tun“, behauptete Dieter. Er hatte sich wohl an von Mallinckroth erinnert.
Mein Konter folgte auf der Stelle: „Die mussten schon zu Karls Zeiten Zeichen an jedem Baum anbringen, sonst hätten sich die Aachener sofort in der Wildnis verirrt. Wahrscheinlich ist auch der Neandertaler in Wirklichkeit ein verwirrter Öcher, der nicht mehr den richtigen Weg nach Hause zur Mutter gefunden hat.“
Außerdem sei der informative Reiseführer nicht in Aachen entstanden, sondern in einer Bielefelder Verlagsanstalt.
„Deine Aachener sind schlicht zu dumm dafür.“
Dieter schien zufrieden mit mir. Ich sei schon auf dem besten Wege, wieder der Alte zu werden, meinte er jedenfalls. Ich kommentierte diese Bemerkung besser nicht, ich blätterte vielmehr in dem Wanderführer, der so viele interessante Hinweise auf die kulturgeschichtlichen Begebenheiten entlang der Strecke enthielt.
Wir spielten kurz mit dem Gedanken, noch an diesem Tag bis nach Hause zu fahren, aber ich riet davon ab. Immerhin hatten wir schon fast siebzig Kilometer auf dem Buckel und es lagen über einhundertvierzig vor uns.
„Das schaffen wir heute unmöglich“, sagte ich.
Die Fahrstrecke war längst nicht mehr so reizvoll wie in Westfalen oder an der Ruhr. Sie führte meistenteils entlang der Felder oder durch Ortschaften.
Wir waren erleichtert, als wir hinter Mettmann endlich wieder einmal durch ein längeres Waldstück fahren konnten, bevor wir in Hilden in einer gemütlichen Gaststätte einkehrten.
„Jetzt fahren wir auch bis nach Zons durch“, schlug ich vor. „Von dort sind es nur noch einhundertzwanzig Kilometer bis Aachen. Morgen Abend liegen wir dann wieder in den eigenen Betten.“
Die Vorfreude auf mein Nachtlager in der kleinen Bude am Templergraben war sehr groß, vor allem unter dem Aspekt, dass ich das Lager nicht alleine für mich haben würde. Dieter stimmte spontan zu und hatte es auf einmal eilig.
„Warum?“, fragte ich und er antwortete mit einem Blick auf die Uhr. „Ich will nicht zu spät in Urdenbach ankommen“, sagte er kurz.
Die Eile verstand ich, als wir in Urdenbach am Rhein standen. Gegenüber lag die Feste Zons, zu erreichen nur mittels einer Rheinfähre, die ihren Fahrplan nicht nach uns, sondern nach einem festgelegten Schema ausrichtete. Wenige Minuten später hätten wir für den heutigen Tag keine Verbindung mehr bekommen. So jedoch genossen wir das Vergnügen, uns von einem Schiff über den Fluss bringen zu lassen, gepaart mit der Schadenfreude, dass sich ein Sportwagen laut hupend und mit quietschenden Reifen der Anlegestelle zu spät näherte, als sich die Fähre gerade vom Ufer gelöst hatte und nicht mehr zurück konnte.
Erst als wir in der Flussmitte waren, erkannte ich das Auto wieder. Es hätte mich beinahe an der Hohensyburg über den Haufen gefahren, der Fahrer hatte obendrein wahrscheinlich versucht, mich mit Stacheldraht einzufangen.
Die Idee, in Zons zu übernachten, war nicht die schlechteste, gab ich Dieter zu. Der Ort war wohl unvergleichlich in seiner Art am Niederrhein. Rechteckig gestaltet, von einer mächtigen Mauer umgeben war die historische Stätte, an deren
Südostecke eine prächtige Burg gebaut war.
Hier fühlte ich mich tatsächlich ins Mittelalter versetzt, die Vorstellung von früherem Leben wurde noch mehr gefördert als etwa in Heimbach, Nideggen oder Monschau, obwohl es auch dort schön war und es viele attraktive Winkel gab.
Aber Zons war wirklich einmalig, sagte ich auch zu meinem Freund, als wir uns nach dem Stadtbummel in einem
Hotelzimmer frisch machten. Auf meine Bitte hin
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