Mörderische Kaiser Route
aufsuchen. Er wird Sie gerne informieren.“ Allerdings wollte der Kommissar sein Wissen nicht ohne Gegenleistung preisgeben. „Was ist mit Karl Schlingenhagen? Hat er etwas auf dem Kerbholz?“
Nicht, dass ich wüsste, hielt ich schnell dagegen. Es handele sich ausschließlich um eine privatrechtliche Angelegenheit, erklärte ich. ,Noch jedenfalls’, fügte ich für mich hinzu, aber das brauchte Böhnke im Augenblick nicht zu interessieren. Ich wechselte das Thema.
„Apropos Kerbholz. Was machen eigentlich die Namen auf der Liste aus Paderborn?“
„Damit haben Sie uns wieder ein dickes Ei gelegt, Herr Grundler“, antwortete der Kommissar, der ungerührt auf meinen Themenwechsel einging.
Es wunderte mich, dass er sich so schnell mit meiner Erklärung abfand.
„Das sind alles merkwürdige Früchtchen“, fuhr Böhnke fort, „junge Leute, zum Teil schon Langzeitarbeitslose, einige Kleinkriminelle, meistens aber harmlose Spinner, die aus der Gesellschaft abgedriftet sind und irgendwann als Bodensatz landen werden.“
„So, wie der Typ aus der Staustufe in der Rur?“
„Im Prinzip schon“, bestätigte der Kommissar. „Was machen so arme Schweine aber ausgerechnet auf der Wewelsburg in Ostwestfalen? Besaufen können die sich auch in Aachen, das wird doch viel billiger?“ Irgendetwas passte da nicht.
„Die Fragen haben wir uns natürlich auch gestellt“, pflichtete mir Böhnke bei. „Warum treffen sich die Verlierer aus der Region Aachen mit denen aus Heinsberg und Düren zweihundert Kilometer weiter östlich mit Typen aus dem Großraum Paderborn, die übrigens ähnlich sozial strukturiert sind? Aber wir haben keine Antworten auf diese Fragen finden können.“
„Gibt es denn einen Verein oder eine Vereinigung oder etwas Ähnliches in dieser Richtung?“
„Nein. Es handelt sich offenbar um einen lockeren Freundeskreis“, klärte Böhnke mich sachlich auf, „einmal jährlich treffen sich die Kantonisten, diesmal ist die Wewelsburg der Treffpunkt gewesen.“
„Und wer finanziert diesen Schwachsinn?“
„Sie behaupten, sie selbst“, antwortete der Kommissar. Auch wenn es ihm schwer fiele, diese Behauptung zu glauben, so könne er den jungen Menschen nicht das Gegenteil nachweisen. „Der Thiele gehörte aber nicht zu der Clique aus Paderborn? Oder?“
„Nein. Thiele ist ihnen nicht bekannt gewesen, sagen sie jedenfalls. Er sei abends angekommen, habe sich zu ihnen gesellt und mit ihnen gesoffen und sei dann plötzlich verschwunden“, berichtete Böhnke von den ihm mitgeteilten Erkenntnissen.
Verschwunden war ein schlechter Ausdruck für einen Sturz aus einem Fenster in den Tod. Aber die Ausdrucksweise machte den jungen Mann auch nicht wieder lebendig.
„Finden Sie das nicht komisch, Herr Böhnke?“, fragte ich.
„Komisch nicht, weil’s nicht zum Lachen ist, aber sehr merkwürdig“, entgegnete der Kommissar nüchtern. Aber das sei nicht sein Problem, das sei das Problem der Kollegen aus Paderborn und des ermittelnden Kommissars Dietrich, der sich auch schon nach den Typen aus der Aachener Ecke und dem Toten aus der Rur erkundigt hatte. Ich solle noch einmal mit ihm sprechen, regte Böhnke an.
Das hatte ich ohnehin vor, dafür brauchte ich seinen Ratschlag nicht. Aber das sagte ich Böhnke besser nicht.
Das angenehm milde Klima, das ausnahmsweise einmal im Aachener Wetterloch herrschte, nutzte ich am nächsten Tag zu einer Radtour nach Merzbrück, nachdem ich Böhnkes Bekannten mein Erscheinen angekündigt hatte.
Ohne auf das Durchfahrtverbot zu achten, fuhr ich durch das Tor auf den Verkehrslandeplatz Aachen-Merzbrück, wie der Flugplatz offiziell auf einem Schild bezeichnet wurde. Geradeaus steuerte ich auf den Tower zu, unter dem ich in dem flachen, roten Backsteinbau meinen Gesprächspartner finden sollte.
Der Mann in meinem Alter, der für die Flugüberwachung verantwortlich war, kam mir bekannt vor. Bereitwillig klärte er, der sich als Rüdiger Beckmann vorstellte, mich auf:
„Wir sind doch zusammen zum Gymnasium gegangen. Weißt du das nicht mehr, Tobias?“
,Blöde Frage’, brummte ich in mich hinein. Als wenn ich mich an jede Nase erinnern könnte, die mir irgendwann einmal über den Weg gelaufen war.
„Natürlich“, sagte ich allerdings und lächelte Beckmann wissend an, als er mich in sein Büro führte.
„Aber nicht lange“, klärte mich der ehemalige Klassenkamerad ungefragt auf. „Ich habe quasi die Klasse als Sitzenbleiber für zwei Jahre bereichert
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