Mörderische Kaiser Route
sahen uns verblüfft an, als fast im gleichen Augenblick das Telefon klingelte und Sabine eine Verbindung mit Böhnke herstellte.
Über den hingerichteten Mann aus Düren brauche er mich nicht mehr zu informieren, da sei ihm schon jemand zuvorgekommen, brummte ich in den Hörer. Deswegen rufe er auch nicht an, entgegnete der Kommissar gelassen. Es sei ihm klar, dass mein neuer Freund aus Düren mich brühwarm unterrichtet hatte.
„Er hat auch schon bei mir angerufen und mich über mögliche Zusammenhänge zwischen den beiden Toten sowie Schlingenhagen und dessen Spezi aus Paderborn befragt.“
,Bahn ist ein raffinierter Mistkerl’, dachte ich durchaus anerkennend. „Was haben Sie ihm geantwortet?“
Böhnke lachte verschmitzt.
„Was schon? Möglich sei alles, habe ich gesagt. Ich bin doch nicht berechtigt, Polizeifremden von Ermittlungsverfahren zu berichten.“ Dann würde der Journalist die Ergebnisse halt über seine Dürener Schiene bekommen, wandte ich ein, aber das schien Böhnke nicht zu stören. „Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich“, meinte er ruhig. Ob ich nicht wissen wolle, was er mir zu sagen hätte, fuhr er geheimnistuerisch fort. „Interessieren Sie sich nicht mehr für Meinhard Lüttgen?“
„Für wen?“
Mit meinem Kombinationsgeschick sei es auch nicht mehr weit her, lästerte Böhnke kameradschaftlich, statt mir eine Antwort zu geben. „Kennen Sie Meinhard Lüttgen wirklich nicht?“
„Aber sicher doch“, antwortete ich betont lässig. „Das ist doch der Platzwart der Alemannia, der auch für die Hotelreservierungen bei Auswärtsspielen zuständig war. Oder war es etwa doch der Mundschenk von Karl dem Großen, der für seinen Herrn beim Feldzug gegen die ungläubigen Sachsen die Wildschweinhaxen und den Weißwein probieren musste?“ Ich flüchtete mich in den Humor, um meine momentane Denkunfähigkeit zu überbrücken.
Der Name Meinhard Lüttgen sagte mir nichts und ich wusste nicht, mit welchem Gesicht ich ihn in Verbindung bringen sollte. Mit Karl dem Großen läge ich nicht einmal so falsch, schmunzelte der Kommissar.
„Meinhard Lüttgen ist gewissermaßen das Gegenstück von Karl dem Großen. Was der junge Schlingenhagen für Aachen ist, das ist der junge Lüttgen für Paderborn. Ein nichtsnutziger Spross aus einem reichen Elternhaus, dessen einziges Lebensziel es ist, das Geld seiner Familie unters Volk zu bringen, ohne arbeiten zu müssen.“
Die Polizei in Paderborn habe anhand des Porträts aus dem Fernsehfilm den Mann identifiziert. „Das ist ein großkotziger Schaumschläger, ohne Ausbildung und Anstand, der sich als Tunichtgut durchs Leben hangelt. Es scheint, als hätten sich Schlingenhagen und Lüttgen gesucht und gefunden.“ Die beiden seien ein Kaliber, dieselben schrägen Vögel, die glauben, alle Rechte seien nur für sie da und alle Pflichten nur für andere. Böhnke machte kein Hehl aus seiner Abneigung. „Sie kennen ihn als in Leder gekleidete, rothaarige Dicklippe, Herr Grundler.“
Ich unterbrach ihn aufgeregt. „Wie ist die Polizei auf ihn gekommen?“, fragte ich schnell.
Eine dubiose Sache hätte Lüttgen in die Polizeiakte gebracht, antwortete Böhnke.
„Er ist angeblich vor zwei oder drei Jahren entführt worden. Als der Vater sich weigerte, das Lösegeld zu zahlen, tauchte der Sohn urplötzlich wieder auf. Unbekannte hätten ihn in eine Kiste gesteckt und überraschend auf einem Parkplatz freigelassen, hat er erzählt. Es war ihm nicht nachzuweisen, dass er die Entführung nur vorgetäuscht hatte, wie vermutet wurde.“
„Wo ist Lüttgen jetzt?“
„Keine Ahnung. Die Paderborner Kollegen haben keine Veranlassung, nach ihm zu fahnden, weil gegen ihn nicht ermittelt wird. Sie haben Lüttgen lediglich über die Adresse der Eltern schriftlich aufgefordert, sich bei Gelegenheit einmal zu melden.“
Das verstand ich nicht. Die Dicklippe war mindestens Augenzeuge bei einem Todesfall gewesen und wurde nicht einmal verhört. Und er war der Spezi von Karl dem Großen. Das müsste doch Grund genug für eine Vernehmung und eine Fahndung sein, sagte ich ungehalten.
„Für Sie vielleicht, Herr Grundler“, lachte Böhnke bitter, „nicht aber für meine Kollegen in Ostwestfalen. Sie haben sich mit ungeklärten Mordfällen zu beschäftigen und nicht mit heruntergekommenen Muttersöhnchen. Die erdrosselte Internatsschülerin bestimmt immer noch die Medien. Das ist der Skandal des Sommers da hinten. Die öffentliche Meinung im Wilden
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