Moerderische Kuesse
nichts mehr zu tun. Es war immer noch ziemlich früh; sie hatten noch nicht mal zu Abend gegessen. Sie wollte noch nicht duschen, und auch er schien, Gott sei Dank, nicht darauf aus zu sein, sie sofort ins Bett zu befördern.
Schließlich nahm sie das Buch, das sie von zu Hause mitgenommen hatte, trat sich die Schuhe von den Füßen und kuschelte sich zum Lesen in eine Sofaecke.
Swain griff nach dem Zimmerschlüssel. »Ich gehe kurz runter in die Lobby und kaufe ein paar Zeitungen. Soll ich dir irgendwas mitbringen?«
»Nein danke.«
Im nächsten Moment war er draußen. Lily zählte still bis dreißig, stand dann auf und durchsuchte schnell und gründlich seine Sachen. Seine Unterwäsche lag säuberlich aufgestapelt in einer Schublade, ohne dass irgendwas zwischen den gefalteten Boxershorts versteckt gewesen wäre. Sie tastete an allen Anziehsachen im Schrank die Taschen ab, ohne etwas zu finden. Einen Aktenkoffer besaß er offenbar nicht, aber sie zog seine Lederreisetasche hervor und durchsuchte sie. Auch hier konnte sie keine Geheimtaschen oder doppelten Böden entdecken; nur seine Neun‐Millimeter‐Heckler & Koch steckte ordentlich in ihrem Holster. In der Nachttischschublade stieß sie auf einen Thriller mit einer eingeknickten Seite etwa in der Mitte des Romans. Sie blätterte das Buch kurz auf, aber auch hier war nichts zwischen den Seiten verborgen.
Anschließend fuhr sie mit der Hand unter die Matratze und arbeitete sich rund um das Bett vor, um abschließend einen Blick darunterzuwerfen. Der Ledermantel lag noch genauso auf dem Bett, wie er ihn hingeworfen hatte. Sie durchsuchte die Taschen und entdeckte in einer Reißverschlusstasche seinen Pass, den sie allerdings schon kontrolliert hatte und deshalb stecken ließ.
Nichts deutete darauf hin, dass er nicht das war, was er zu sein behauptete. Erleichtert kuschelte sie sich wieder auf das Sofa und begann von neuem zu lesen.
Fünf Minuten später schloss er die Zimmertür auf und trat ein, beladen mit zwei dicken Zeitungen und einer kleinen Plastiktüte. »Nach der Geburt meines zweiten Kindes habe ich mich sterilisieren lassen«, verkündete er aus heiterem Himmel.
»Trotzdem habe ich ein paar Kondome gekauft, falls du dich damit sicherer fühlst.«
Seine Fürsorge rührte sie. »Hast du irgendwelche riskanten Spiele getrieben? Sexuelle Spiele, meine ich.«
»Ich hab es einmal im Stehen in der Hängematte versucht, aber da war ich siebzehn.«
»Das hast du nicht. In einer Hängematte vielleicht, aber keinesfalls im Stehen. «
Er grinste. »Die Hängematte schmiss uns nach kürzester Zeit runter, um die Wahrheit zu sagen, und ich landete so schmerzhaft auf meinem Arsch, dass ich es seither nicht noch mal probiert habe. Der Sturz war ein echter Stimmungstöter.
An dem Tag kam ich nicht mehr zum Zug.«
»Kann ich mir vorstellen. Sie muss sich halb totgelacht haben.«
»Nein, sie hat wie blöd rumgezickt. Gelacht habe nur ich.
Und nicht einmal ein Siebzehnjähriger kann eine Latte halten, wenn er sich vor Lachen auf dem Boden krümmt. Ganz abgesehen davon sah ich aus wie ein Idiot, und Mädchen in diesem Alter sind höchst empfindlich, wenn es um ihr Image und solche Sachen geht. Sie fand mich extrem uncool und hat mich in den Wind geschossen.«
Sie hätte sich denken können, dass er gelacht hatte.
Lächelnd stützte sie das Kinn in die Hand. »Und sonst?«
Er ließ sich in den Sessel neben dem Sofa fallen, streckte die Beine aus und legte die Füße auf den Couchtisch. »Mal sehen.
Kurz nach dieser Geschichte kam ich mit Amy zusammen, und ich war ihr vom ersten Tag bis zu unserer Scheidung treu.
Seither hatte ich ein paar Freundinnen, ein paar Beziehungen zwischen ein paar Monaten bis zu zwei Jahren, aber keine One‐Night‐Stands. Die meiste Zeit steckte ich in Gegenden, wo sich das wilde Nachtleben auf vier‐ und sechsbeinige Teilnehmer beschränkt. Und wenn ich mal in eine zivilisierte Gegend kam, wollte ich meine Zeit nicht in irgendwelchen Nightclubs totschlagen.«
»Für jemanden, der jahrelang im Dschungel gelebt hat, wirkst du sehr weltmännisch«, murmelte sie. Dass ihr dieser Gegensatz erst jetzt auffiel, war ihr ein bisschen unangenehm.
Aber auch wenn sie das schon früher hätte bemerken müssen, zerbrach sie sich deswegen nicht den Kopf, denn seine Waffe steckte – anders als ihre – in der Reisetasche im Schrank.
»Weil ich Französisch spreche und in Luxushotels absteige?
Ich wohne gern in vornehmen Hotels, wenn
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