Moerderische Kuesse
parkte den Wagen auf dem Besucherstellplatz und gab sich Mühe, die beiden Männer nicht allzu offensichtlich zu mustern.
Swain wartete keine Sekunde. Er stieg aus dem Auto und marschierte schnurstracks auf den Eingang zu, wo er beiden Männern energisch die Hand schüttelte. Er war vollkommen verändert, stellte Lily fest. Sein sonst so lässiger Gang war einem entschlossenen Schritt gewichen, der »aus der Bahn« zu sagen schien. Seine ganze Körpersprache wirkte verändert und ließ ihn wie einen aggressiven, durchsetzungsfreudigen Geschäftsmann erscheinen.
Wie sie es besprochen hatten, stieg sie aus und ging ans Heck des Lieferwagens, wo sie die Ladetüren öffnete und zwei Klemmbretter, auf denen jeweils ein dicker Stapel von Formularen festgeklemmt war, sowie zwei Phasenprüfer herausholte, die für ihre vorgeblichen Aufgaben völlig überflüssig waren, aber, wie Swain gefunden hatte, umso eindrucksvoller aussahen. Vielleicht würden sie tatsächlich irgendwo eine Phase prüfen, um wirklich beschäftigt auszusehen.
Mit diesen Requisiten beladen und darauf achtend, dass sie alles möglichst männlich trug, statt die Klemmbretter in einer typisch weiblichen Geste gegen ihre Brust zu pressen, gesellte sie sich zu den drei Männern. »Mein Kollege Charles Fournier«, stellte Swain sie vor. »Damone Nervi, Dr. Giordano. Der Doktor hat sich bereit erklärt, uns herumzuführen und uns alle installierten Sicherheitsmaßnahmen zu zeigen, damit wir Zeit sparen.«
Weil sie beide Arme voll hatte, brauchte sie niemandem die Hand zu geben, und alle gaben sich mit einem knappen Nicken und einem kurzen Gruß zufrieden. Dr. Giordano wirkte immer noch äußerst entspannt und aufgeschlossen; Damones Miene hingegen erschien ihr noch ernster als zuvor. Lilys Unbehagen wuchs dementsprechend. Warum benahm sich Damone so, als wäre diese »Inspektion« nicht von Anfang an seine Idee gewesen?
Verfluchte Scheiße. War es möglich, dass all das nur inszeniert worden war, um sie in eine Falle zu locken, um sie in ein Privatgebäude zu lotsen, wo ihr alles Mögliche zustoßen konnte, ohne dass jemals irgendwer davon erfuhr? War Rodrigo am Ende noch gerissener, als sie in ihren wildesten Albträumen befürchtet hatte? Wenn dem wirklich so war, dann hatte er sie zugegebenermaßen mit ihren eigenen Waffen geschlagen, indem er nicht gleich bei der ersten Möglichkeit zugegriffen, sondern seelenruhig eine Falle für sie präpariert hatte. Es wäre eindeutig auffälliger gewesen, sie von der Straße zu zerren, und Rodrigo mochte genug politisches Gewicht haben, um einen solchen Zwischenfall zu vertuschen, aber wozu sollte er ein unnötiges Risiko eingehen, wenn er sie einfach an einen Ort locken konnte, wo niemand irgendwas bemerken würde? Immerhin war es gut möglich, dass sich außer ihnen niemand im Labor befand und dass die Fahrzeuge auf dem Parkplatz nur zur Dekoration dort standen.
Wenn sie sich verrechnet hatte, hatte sie damit nicht nur ihr Leben, sondern auch das von Swain verwirkt. Bei dem Gedanken, dass diese Freude und Lebenslust einfach ausgeblasen werden könnten, wurde ihr innerlich eiskalt.
Ohne Lucas Swain wäre die Welt eindeutig nicht mehr so schön. Wenn ihm nur ihretwegen etwas zustieß – Aber jetzt hatte sich Damone abgewandt, und Dr. Giordano schalt ihn für sein unhöfliches Benehmen, nur weil seine Verlobte den vereinbarten Besuch abgesagt hatte. »Vielleicht sollten Sie sie besuchen«, frotzelte der Doktor und schlug Damone dabei auf den Rücken. »Frauen haben es lieber, wenn die Männer zu ihnen kommen.«
»Morgen vielleicht«, sagte Damone achselzuckend und mit leicht belämmertem Gesichtsausdruck.
Lily entspannte sich. Die Fantasie war mit ihr durchgegangen; Damone war einfach schlecht gelaunt, weil ihn seine Freundin versetzt hatte.
Dr. Giordano gab eine Zahlenfolge in ein Tastenfeld neben der Tür ein, und die Tür öffnete sich summend. »Früher hatten wir Karten, die wir durch einen Scanner ziehen mussten, aber die Karten gingen ständig verloren, und so fanden unsere Sicherheitsberater ein Tastenfeld sicherer«, erklärte er, während er eintrat, gefolgt von Damone und seinen Gästen.
»Stimmt«, bestätigte Swain, »aber nur, solange niemand die Codenummer weitergibt. Trotzdem, ich bin erst zwei Minuten hier und weiß schon jetzt, dass der Code für den Türöffner sechs‐neun‐acht‐drei‐eins‐fünf lautet. Sie haben das Tastenfeld beim Eingeben nicht mit Ihrem Körper abgeschirmt. Und
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