Moerderische Kuesse
vielleicht auch Lily … aber vor allem anderen Zia.
Sie hatte keinen wirklichen Beweis dafür, aber den brauchte sie auch nicht. Sie kannte ihre Freunde, sie wusste, wie sehr sie ihre Tochter geliebt hatten und was ihnen im Leben wirklich wichtig war. Es war eine rein intuitive Schlussfolgerung, aber sie fühlte sich richtig an. Richtiger als jede andere Möglichkeit.
Damit hatte Lily zumindest einen Ansatzpunkt. Bei den Unternehmen im Besitz der Nervis gab es mehrere Labore, die in der medizinischen, chemischen und biologischen Forschung arbeiteten. Da Averill und Tina offenkundig der Meinung gewesen waren, sofort reagieren zu müssen, musste eine unmittelbare Bedrohung bestanden haben. Aber obwohl sie bei ihrem Einsatz gescheitert waren, wollte Lily nichts einfallen, was seither Ungewöhnliches geschehen war; in der näheren Umgebung hatten sich keine nennenswerten Katastrophen ereignet. Es hatte nur die üblichen terroristischen Anschläge gegeben, für die es anscheinend keinen Grund brauchte.
Vielleicht waren sie ja gar nicht gescheitert. Vielleicht hatten sie ihre Mission erfolgreich abgeschlossen, bevor ihnen Salvatore auf die Spur gekommen war und sie umbringen ließ, zur Mahnung an alle anderen, sich nicht mit den Nervis anzulegen.
Vielleicht hatten sie auch gar kein Labor im Visier gehabt, wenngleich ein Labor das wahrscheinlichste Ziel war.
Salvatore herrschte über zahllose, über ganz Europa verstreute Unternehmungen. Sie würde die Lokalseiten zahlloser Zeitungen durchschauen müssen, um festzustellen, ob in der Woche zwischen ihrem letzten Abendessen mit ihren Freunden und deren Tod irgendwo ein Vorfall in einem Unternehmen der Nervis gemeldet worden war. Salvatore war mächtig genug gewesen, um die Medien zu steuern, sie notfalls sogar ganz zum Schweigen zu bringen, aber vielleicht war dennoch irgendwo etwas erwähnt worden … irgendwas.
Ihre Freunde waren vor ihrem Tod nirgendwohin gefahren.
Lily hatte sich mit mehreren Nachbarn unterhalten; Averill und Tina waren zu Hause geblieben, Zia war zur Schule gegangen. Was auch passiert war, es musste in Paris oder wenigstens in der Nähe geschehen sein.
Gleich morgen würde sie in ein Internet‐Cafe gehen und Recherchen anstellen. Sie hätte das auch sofort tun können, aber die Vernunft riet ihr, nach einem so langen Tag erst neue Kraft zu schöpfen. Sie war hier relativ sicher, sogar vor der CIA.
Niemand wusste von Claudia Weber, und Lily würde nichts tun, was irgendwie Aufmerksamkeit erregte. In kluger Voraussicht hatte sie noch auf dem Flughafen etwas gegessen, weil sie gewusst hatte, dass sie lange beim Friseur sitzen würde, und außerdem ein paar Kleinigkeiten für heute Abend sowie etwas Kaffee für morgen früh eingekauft. Vorerst war sie versorgt. Erst morgen musste sie wieder einkaufen, was sie am besten ganz früh machen würde. Anschließend würde sie in einem
Internet‐Cafe
einkehren
und
Nachforschungen
anstellen.
Das Internet war eine fantastische Erfindung, davon war Rodrigo überzeugt. Wenn man – wie er – die richtigen Leute kannte, konnte man damit fast alles in Erfahrung bringen.
Erst hatten seine Leute eine Liste von allen Chemikern erstellt, deren Ruf nicht ganz einwandfrei war, die für freie Auftraggeber verfügbar und die erfahren genug waren, ein so gefährliches Gift zusammenzubrauen. Dieses letzte Kriterium ließ die Liste von mehreren hundert Kandidaten auf neun zusammenschrumpfen,
was
eine
wesentlich
leichter
handhabbare Anzahl darstellte.
Danach mussten nur noch die finanziellen Verhältnisse der Betreffenden überprüft werden. Irgendwer musste vor kurzem eine beträchtliche Summe eingenommen haben. Vielleicht war der Betreffende klug genug, das Geld auf einem Nummernkonto verschwinden zu lassen, vielleicht aber auch nicht. So oder so würde es Hinweise darauf geben, dass die Einnahmen deutlich angestiegen waren.
Auf genau solche Hinweise stieß er bei Dr. Walter Speer, einem deutschen Chemiker mit Wohnsitz in Amsterdam. Dr.
Speer war erst von einer angesehenen Firma in Berlin und wenig später von einer nicht ganz so angesehenen Firma in Hamburg an die Luft gesetzt worden. Daraufhin war er nach Amsterdam umgezogen, wo er sich seither über Wasser gehalten, aber bestimmt keine Reichtümer gescheffelt hatte.
Trotzdem hatte sich Dr. Speer kürzlich einen silbernen Porsche zugelegt,
den
er
bar
bezahlt
hatte.
Dr.
Speers
Bankverbindungen auszuforschen war ein Kinderspiel, und es war für
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