Moerderische Kuesse
Aufgaben betreut, bis jener, falls überhaupt, wieder auf seinen Posten zurückkehrte. Der Unfallort wurde auf sensible Dokumente hin abgesucht, aber Mr. Vinay behandelte die ihm anvertrauten Unterlagen extrem vorsichtig, weshalb kein geheimes Material gefunden wurde.
Lange Stunden stand während der Operation sein Leben auf dem Spiel. Wenn es Keenan nicht geschafft hätte, den Wagen kurz vor dem Aufprall ein bisschen zur Seite zu lenken, dann wäre der Direktor noch am Unfallort gestorben. Abgesehen von zwei Splitterbrüchen im rechten Arm waren sein Schlüsselbein, fünf Rippen und der rechte Oberschenkel gebrochen. Herz und Lunge hatten schwere Prellungen erlitten, die rechte Niere war angerissen. Eine Glasscherbe hatte sich wie ein Pfeil in seine Kehle gebohrt, und er hatte eine Gehirnerschütterung abbekommen, die genau beobachtet werden musste, damit sich kein Druck im Schädel aufbaute.
Dass er überhaupt noch am Leben war, verdankte er dem Seitenairbag, der seinen Kopf bei dem Aufprall abgeschirmt hatte.
Er überlebte die zahlreichen Operationen, die nötig waren, um seinen zerschmetterten Körper zu reparieren, und wurde anschließend auf die Intensivstation gebracht, wo er schwere Beruhigungsmittel erhielt und unter genauer Beobachtung blieb. Die Chirurgen hatten ihr Bestes gegeben; nun kam es allein auf Mr. Vinay an.
17
Mr. Blanc war wenig erbaut, schon wieder von Rodrigo zu hören. »Womit kann ich dienen?«, fragte er ein wenig steif.
Was er da tat, behagte ihm nicht; es so oft tun zu müssen, war wie Salz in seinen Wunden. Er war zu Hause, und dass er hier angerufen wurde, gab ihm das Gefühl, den Menschen, die er liebte, das Böse ins Heim geschleppt zu haben.
»Erstens wird mein Bruder Damone in Zukunft mit mir zusammenarbeiten«, sagte Rodrigo. »Manchmal wird er für mich anrufen. Das macht doch keine Probleme?«
»Nein, Monsieur.«
»Ausgezeichnet. Dieses Problem, bei dem ich neulich um Ihre Hilfe gebeten habe. In dem Bericht stand, unsere Freunde in Amerika hätten jemanden geschickt, der es lösen soll. Ich möchte mit diesem Menschen Verbindung aufnehmen.«
»Verbindung aufnehmen?«, wiederholte Blanc verlegen.
Falls sich Rodrigo mit dem Agenten treffen würde – jedenfalls nahm Rodrigo an, dass es ein Agent war, weil »Probleme«
normalerweise nicht durch fest angestellte Führungsoffiziere behoben wurden –, dann bestand die Möglichkeit, dass Rodrigo dabei etwas ausplauderte, das der Agent dann an seine Auftraggeber weitergab, und das wäre ganz und gar nicht gut.
»Ja. Ich möchte seine Handynummer. Bestimmt kann man irgendwie mit ihm Verbindung aufnehmen. Wissen Sie, wie der Mann heißt?«
»Äh … nein. Das stand nicht in dem Bericht, den ich erhalten habe.«
»Natürlich nicht«, fuhr Rodrigo ihn an. »Sonst würde ich nicht danach fragen, oder?«
Er glaubte tatsächlich, erkannte Blanc, dass er alles geschickt bekommen hatte, was Blanc selbst erhalten hatte. Das war allerdings nicht der Fall und war es nie gewesen. Um den angerichteten Schaden so weit wie möglich zu begrenzen, eliminierte Blanc regelmäßig einige wesentliche Informationen.
Ihm war bewusst, dass ihn die Nervis umbringen lassen würden, wenn sie jemals davon erfuhren, aber er war inzwischen sehr geschickt bei diesem Drahtseilakt. »Falls die Informationen verfügbar sind, werde ich sie beschaffen«, versicherte er Rodrigo.
»Ich warte auf Ihren Anruf.«
Blanc sah auf die Uhr und berechnete, wie spät es jetzt in Washington war. Dort war es heller Tag, vielleicht war seine Kontaktperson sogar in der Mittagspause. Nachdem er das Gespräch mit Rodrigo beendet hatte, ging er nach draußen, damit niemand – schon gar nicht seine unersättlich neugierige Frau – ihn belauschen konnte, und tippte dort die Telefonnummer ein.
»Ja?« Die Stimme klang bei weitem nicht so freundlich wie sonst, wenn Blanc abends anrief, demnach konnte die Kontaktperson wahrscheinlich nicht ungestört sprechen.
»Es geht um die bekannte Angelegenheit. Ist es möglich, die Mobiltelefonnummer der Person zu bekommen, die hierher geschickt wurde?«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Keine Fragen, kein Zögern. Vielleicht gab es ja keine Nummer, dachte Blanc und ging zurück ins Haus. Die Temperatur war nach Sonnenuntergang gesunken, und ihm fiel mit einem leichten Frösteln ein, dass er keinen Mantel angezogen hatte.
»Wer war das?«, wollte seine Frau wissen.
»Jemand von der Arbeit«, antwortete er und gab ihr einen
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