Moerderische Kuesse
nicht nötig. Ich selbst habe die Joubrans mit allen Komponenten des Sicherheitssystems vertraut gemacht. «
»Seit August wurde die Anlage bestimmt verändert.«
»O ja, das wurde sie. Ich weiß auch, welche Veränderungen vorgenommen wurden.«
»Das kann nur jemand wissen, der im Labor arbeitet. Sie könnten das Virus selbst zerstören.«
»Das kann ich aus mehreren Gründen nicht.«
Wieder fiel ihr diese eigenartig stockende Sprechweise auf.
Ihr kam der Gedanke, dass der Anrufer möglicherweise an einer Behinderung litt.
»Ich zahle Ihnen eine Million Dollar.«
Lily massierte ihre Stirn. Da stimmte was nicht, der Betrag war entschieden zu hoch. Ihre inneren Alarmglocken schrillten.
Als sie nicht antwortete, fuhr der Mann fort: »Da wäre noch etwas. Dr. Giordano muss ebenfalls getötet werden. Falls er überlebt, wird er seine Forschungen wieder aufnehmen. Es muss alles vernichtet werden: der Doktor, seine Forschungsunterlagen, sämtliche Computerdateien, das Virus. Einfach alles. Diesen Fehler habe ich beim ersten Mal gemacht; da waren wir nicht gründlich genug.«
Plötzlich kamen ihr eine Million Dollar gar nicht mehr so übertrieben vor. Was er bislang erzählt hatte, klang durchwegs vernünftig und beantwortete viele der Fragen, die sie sich gestellt hatte, aber ihre angeborene Vorsicht ließ sie zögern. Sie musste sich irgendwie absichern, falls das doch eine Falle war, nur war sie auf dieses Gespräch überhaupt nicht vorbereitet gewesen und hatte deshalb ihre Gedanken nicht ordnen können. Bevor sie ihre Entscheidung traf, musste sie alles gründlich überdenken.
»Ich kann Ihnen noch keine Zusage machen«, sagte sie.
»Dazu gibt es zu vieles zu bedenken.«
»Ich verstehe. Das könnte eine Falle sein. Es ist bestimmt klüger, alle Möglichkeiten zu berücksichtigen, allerdings ist die Zeit ein entscheidender Faktor. Ich glaube, dass der Job, den ich Ihnen anbiete, ohnehin Ihren Zielen entspricht und dass Sie diese Ziele mit meiner Hilfe eher erreichen werden. Je länger Sie warten, desto wahrscheinlicher wird es, dass Rodrigo Nervi Sie aufspürt. Er ist intelligent und skrupellos, und Geld ist für ihn kein Thema. Seine Leute sitzen überall in Paris, überall in Europa, in unzähligen Geschäften und Polizeistellen. Die Zeit arbeitet für ihn, irgendwann wird er Sie finden. Mit dem Geld, das ich Ihnen zahle, könnten Sie ein für alle Mal verschwinden.«
Da konnte sie nicht widersprechen. Eine Million Dollar würde ihr eindeutig weiterhelfen. Trotzdem konnte sie nicht zusagen, ohne sich vorher abzusichern, denn immerhin war es gut möglich, dass der Köder vergiftet war.
»Denken Sie darüber nach. Ich rufe morgen wieder an. Bis dahin brauche ich Ihre Antwort, sonst muss ich andere Wege beschreiten.«
Die Verbindung war unterbrochen. Automatisch sah Lily auf das Display ihres Handys, aber wie nicht anders zu erwarten, war die Nummer unterdrückt worden; ein Mann, der eine Million Dollar lockermachen konnte, um ein Labor in die Luft jagen zu lassen, konnte auch eine Handynummer unterdrücken.
Aber würde ein so reicher Mann tatsächlich in einem Labor arbeiten? Wohl kaum. Woher hatte er also seine Informationen?
Wie war er an die Pläne für das Sicherheitssystem gekommen?
Wer er war und woher er seine Informationen bezog, war die entscheidende Frage. Vielleicht war er an Salvatores Plan beteiligt gewesen und hatte kalte Füße bekommen, als er erkannt hatte, wie viele unschuldige Menschen sterben mussten – obwohl Lily die Erfahrung gemacht hatte, dass Menschen wie die Nervis und ihresgleichen schlicht nicht danach fragten, wer oder wie viele sterben mussten, solange sie nur ihren Willen durchsetzen konnten.
Oder war der Anrufer etwa Rodrigo Nervi gewesen, der ihr die Wahrheit über seine Ziele offenbart hatte, um sie aus der Reserve zu locken? Er war intelligent und dreist genug, um einen solchen Plan zu entwerfen, ihn bis ins letzte Detail auszufeilen und ihn in die Tat umzusetzen, den angeblichen Wunsch nach Dr.
Giordanos Tod eingeschlossen.
Rodrigo Nervi hatte auch Mittel und Wege, ihre Telefonnummer ausfindig zu machen, die sie sicherheitshalber nicht ins Telefonbuch hatte aufnehmen lassen.
Mit zittrigen Fingern tippte sie Swains Nummer ein.
Beim dritten Klingeln hörte sie sein verschlafenes »Guten Morgen, meine Schöne«.
»Es ist was passiert«, erklärte sie ihm gepresst und ohne auf sein Flirten einzugehen. »Ich muss dich sehen.«
»Soll ich dich abholen, oder
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