Mörderische Lust: Erotischer Thriller (German Edition)
allmählich wie eine Hausfrau vor, die in der Küche steht, um ihrem Ehegatten ein Mahl zuzubereiten, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Das hätte ich mir vor weniger als einem Jahr nie erträumen können. Der Gedanke lässt mich schmunzeln.
„Es ist ein ausgerollter Teig aus Mehl, Hartweizengrieß und Eiern, der mit den feingehackten Resten von dem Rinderbraten, den ich am Sonntag gemacht habe und viel Petersilie sowie etwas Knoblauch gefüllt wurde. Ich hab’s dann in der Pfanne angebraten und in der restlichen Bratensoße und Gemüsebrühe gar gekocht.“
Ich verzichte darauf zu bemerken, dass es von der Grundidee ähnlich wie schwäbische Maultaschen ist. Denn, wenn es eine Sache gibt, die man einem Schwaben wie David nicht erzählen soll, ist das ein bestimmtes Rezept, welches außerhalb vom Ländle stammt, Ähnlichkeiten mit ihren Maultaschen, Spätzle oder Schupfnudeln haben könnte. Vor allem sollte jemand wie ich, die von der Waterkant stammt, erst recht sich nicht dazunicht dazu äußern. Was soll’s, sollen sie doch glauben, dass Spätzle eine ureigene schwäbische Erfindung seien.
„Aha. Ist das eine Eigenkreation?“
„Nein, ich habe es aus einem Kochbuch. Es ist ein Gericht aus dem Elsass. Schnackerla, oder so ähnlich heißt es.“
„Ah, deswegen der Edelzwicker. Du entwickelst dich allmählich zu einer echten Weinkennerin.“
Das Kompliment freut mich. Tatsache ist, dass ich bevor ich David kennen lernte, keine Ahnung vom Wein hatte. Die einzige Unterscheidung, die ich kannte, war lediglich zwischen rot und weiß.
„Du bist eine sehr gute Köchin, Yvonne. Wo hast du eigentlich so gut kochen gelernt? In der Schule?“
Ich spüle einen kleinen Bissen mit dem kalten Weißwein hinunter. Meine Gedanken wandern zu der Sozialpädagogin zurück, die das Jugendamt in einer von vielen Maßnahmen einsetzte, damit ich selbstständig werde. Mit einer Therapeutin habe ich mal über Teile meiner Kindheit und Jugendzeit gesprochen, ansonsten aber mit niemandem. Mit wem denn auch? Interessierte sich jemals jemand dafür, ob ich gut oder schlecht kochen kann? Bei den unzähligen Männerbekanntschaften, die ich hinter mir habe, war das Einzige, was ich je zum Kochen brachte, ihre Eier.
„In der Schule? Nein. Du warst doch auch im Gymnasium, David. Du solltest doch wissen, dass dort nichts gelehrt wird, was man im Leben tatsächlich gebrauchen kann.“
David gibt einen leisen Lacher von sich.
„Du musst es wissen, Frau Studienrätin. Aber wenn nicht in der Schule, wo dann?“
„Im Betreuten Wohnen,“ antworte ich.
Während ich diese Worte ausspreche, wird es mir klar, dass ich zum ersten Mal jemandem dies erzähle.
„Ein betreutes Wohnen, was meinst du damit?“
Ich überlege kurz, ob ich weiter darüber reden will. David interessiert sich tatsächlich dafür, was ich mache, was ich denke und was ich fühle. Ich bin mehr für ihn als das schöne, geile Flittchen, das bereitwillig die Beine breitmacht und nach Befriedigung lechzt.
„Das Betreute Jugendwohnen ist eine Jugendhilfemaßnahme. Ich hatte meine eigene kleine Wohnung und wurde von einer Sozialarbeiterin betreut. Sie hat mir das Kochen, den Haushalt führen und was ich sonst gebraucht habe, beigebracht. Weißt du David, mein Schatz, ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Ich habe fast meine ganze Kindheit und Jugendzeit in Pflegefamilien und in Heimen verbracht.“
David betrachtet mich eine Weile. Was denkt er von mir? Kann er erahnen, wie es war, als ich meiner Mutter entrissen wurde. Wie ich schrie, wie ich um mich schlug, kratzte, biss und weinte. Ich weinte, aber niemand konnte mir meine Tränen trocknen. Warum ich nicht bei einer Pflegefamilie bleiben konnte? Die vielen Wechsel von einem Heim zu einem anderen. Was würde er denken, wenn er wüsste, was in meinen Akten stand? Wie alt war ich, als ich in einen psychologischen Bericht über mich spickte, fünfzehn vielleicht? Vom extrem willfährigen Verhalten Erwachsenen gegenüber, vom promisken Verhalten, von notorischer Lügerei und von Bindungsstörungen war die Rede. Ich verstand den Inhalt nicht,aber ich behielt die Worte in meinem Kopf und schaute im Lexikon nach. Warst du nicht schon immer ein schlaues Mädchen, Yvonne? Das wurde mir damals sogar bescheinigt, hohe Intelligenz stand dort.
„Du hast wirklich keine schöne Kindheit hinter dir,“ sagt er mit einer mitleidsvollen Miene.
„Was soll’s? Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern.
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