Moerderische Schaerennaechte
immerhin Selbstmord begangen, während er eine militärische Ausbildung durchlief. Es wäre …«, sie suchte nach dem richtigen Wort, »… unglücklich, wenn herauskäme, dass ein Küstenjäger sich draußen auf Korsö das Leben genommen hat.«
Rasch schob sie hinterher: »Auch wenn es schon viele Jahre zurückliegt.«
Ohne die Polizisten anzusehen, führte sie die Kaffeetasse zum Mund, und zum ersten Mal bemerkte Thomas einen Riss in Elsa Harnings kühler, perfekter Fassade.
Sie war nervös.
Thomas war nicht überzeugt, dass die Angaben zu Pär Andersson aus reiner Routine zurückgehalten worden waren. Vermutlich wollte das Marinekommando sich vor irgendwelchen Spekulationen schützen, obwohl es um Ereignisse ging, die weit zurücklagen.
Auch wenn dies auf Kosten der polizeilichen Ermittlungen ging.
»In den letzten Jahren wurde eine ganze Menge über die Tätigkeit unserer Küstenjägerverbände geschrieben«, sagte Elsa Harning. »Über die Art der …« Sie unterbrach sich schon wieder, um die passende Formulierung zu finden. »Der Schulung, die die Anwärter durchlaufen haben. Deshalb ist uns daran gelegen, dass diese Informationen diskret behandelt werden.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Margit so unschuldig, dass Thomas die Absicht dahinter begriff. »Hat denn niemand von Pär Anderssons Selbstmord erfahren? Wurde der Vorfall totgeschwiegen?«
Eine leichte Röte kroch Elsa Harnings Hals hinauf.
»Nein, so war das natürlich nicht.«
»Wie denn?«, beharrte Margit in noch unschuldigerem Tonfall.
Die besorgte Falte erschien wieder auf Elsa Harnings Stirn.
»Es war eine schwierige Situation. Aus Rücksicht auf die Angehörigen wurde alles mit größtmöglicher Diskretion gehandhabt. Unnötige Publizität nützt niemandem, wenn so ein Fall eintritt.«
»Natürlich nicht«, stimmte Margit zu. »Mit Skandalberichten schlägt sich niemand gern herum. Die Presse versucht immer, solche Dinge auszuschlachten, nicht wahr?«
Auf Elsa Harnings Gesicht erschien ein verblüffter Ausdruck, so als wüsste sie nicht, ob Margit das aufrichtig oder sarkastisch gemeint hatte.
»Wir hätten gerne Kopien, wie gesagt«, rief Thomas ihr in Erinnerung. »So schnell wie möglich.«
Ein kaum hörbares Seufzen der blonden Offizierin sagte ihm, dass sie sich dem Wunsch nicht widersetzen würde.
»Wer hat den Toten eigentlich gefunden?«, fragte Margit. »War das jemand aus seiner Gruppe?«
»Lassen Sie mich nachsehen.«
Birgit Hagelius suchte in dem blauen Ordner.
Thomas musste plötzlich an Bo Kaufman denken. Den versoffenen Küstenjäger, der so weit entfernt von dem Bild eines erfolgreichen Elitesoldaten war, wie es nur ging.
Er erinnerte sich an den Stolz, der für einen Moment in Kaufmans Augen aufgeblitzt war, als er in seinem alten Fotoalbum blätterte. Wie seine Haltung aufrechter wurde, als er von seinen alten Erinnerungen berichtete.
Bo Kaufman war gerne Küstenjäger gewesen.
Hatte er versucht, durch Alkohol die Bilder der Erinnerung auszulöschen? Den Anblick eines toten Kameraden, der an einem Strick baumelte?
»Nein, keiner aus seiner Gruppe«, sagte Birgit Hagelius. »Es war sein Ausbilder, der ihn gefunden hat.«
»Wie hieß er?«, fragte Thomas.
»Cronwall, Robert Cronwall.«
Tagebucheintrag Juli 1977
Wir sollen in Kanus eine Strecke von gut einhundert Distanzminuten, d. h. 185 Kilometer im äußeren Schärengarten zurücklegen. Sie bringen uns mit Större-200-Booten nach Forsmark. Von dort müssen wir zurückpaddeln.
Sie nennen das Distanzpaddeln, und es wird achtundvierzig Stunden dauern, fast ohne Pause. Man hat uns gewarnt, dass die Handgelenke anschwellen werden, und der Rücken streikt. Wir paddeln zu zweit in Klepper-Kanus, die zweiunddreißig Kilo wiegen. Im Bug ist eine Flasche zum Reinpinkeln.
Die Regeln besagen, dass man fünfundfünfzig Minuten paddeln und fünf Minuten Pause machen soll, und außerdem soll man alle sechs Stunden für eine Stunde rasten. Aber die Gerüchte sprechen vom Tausendertakt: Man macht tausend Paddelschläge und ruht sich einen Paddelschlag lang aus.
Nach dem Distanzpaddeln sollen wir vier Tage in der freien Natur überleben. Es gibt keinen Essensvorrat, keine Ersatzkleidung, kein Klopapier. Wir sollen beweisen, dass wir uns durchschlagen können, egal was passiert und wie die Umstände sind.
Es heißt, dass eine Gruppe im letzten Sommer rohe Heringe aus der bloßen Hand gefressen hat. Sie waren so ausgehungert, dass sie nicht abwarten
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