Moerderische Schaerennaechte
Nielsen dazu gebracht haben, auf seinen Schreibtisch zu klettern, sich eine Schlinge um den Hals zu legen und dann den tödlichen Schritt ins Leere zu machen.
Das Seil, an dem Marcus Nielsen gehangen hatte, war zur Analyse ins Labor geschickt worden; im besten Fall befanden sich daran Fasern oder andere Spuren, die bezeugten, dass sich noch eine weitere Person im Zimmer befunden hatte. Die erweiterte rechtsmedizinische Untersuchung der Leiche hatte nichts Neues ergeben.
Aber wenn der Täter eine Waffe bei sich gehabt hatte, vermutlich eine Pistole, warum hatte er Fredell dann nicht einfach erschossen? Er hatte ja nichts unternommen, um zu vertuschen, dass Fredells Tod gewaltsam herbeigeführt worden war. Es wäre doch ein Leichtes gewesen, einfach abzudrücken. Mit einem Schalldämpfer hätte kein Mensch etwas gehört.
Die Argumentation drehte sich im Kreis.
Thomas sank wieder auf den Stuhl. Er nahm ein Blatt Papier, um die verschiedenen Fakten nach einer Art System zu ordnen, blieb aber mit dem Stift in der Hand sitzen.
Marcus Nielsens Tod stand vielleicht in gar keinem Zusammenhang mit dem von Jan-Erik Fredell. Es fehlten immer noch entscheidende Beweise, dass die beiden Todesfälle etwas miteinander zu tun hatten.
Aber wenn es nicht so war, ergab sich eine neue Frage: Warum wollte jemand vertuschen, dass Marcus Nielsen ermordet worden war, wenn andererseits kein Versuch unternommen wurde, den Mord an Jan-Erik Fredell zu verheimlichen?
Das passte auch nicht zusammen.
Thomas schrieb seine Überlegungen auf, aber das machte ihn immer noch nicht klüger.
Er nahm Marcus Nielsens Mobiltelefon und blätterte ein letztes Mal durch die Liste der Kontakte, um sicherzugehen, dass sie niemanden übersehen hatten. Als er alle Namen abgehakt hatte, klickte er sich wieder zum Kalender durch.
Einer der letzten Tage in Marcus Nielsens Leben war mit dem Eintrag »Beckasinen-Apotheke« versehen. Die befand sich in Farsta, wie Thomas nach einer schnellen Internetsuche feststellte.
Er zog einen der Papierstapel zu sich heran und blätterte ihn rasch durch, bis er es gefunden hatte.
Marcus Nielsen war bis zu seinem Tod kerngesund gewesen und hatte keinerlei Medikamente genommen. Er war auch nicht gegen irgendwas allergisch.
Warum hatte er den Namen einer Apotheke in Farsta notiert, weit entfernt sowohl von seiner Studentenwohnung als auch vom Haus der Eltern? Wenn er eine Apotheke brauchte, hätte er doch einfach die erstbeste in der Nähe nehmen können, beispielsweise im Nacka Forum, das nur fünf Minuten entfernt lag.
Thomas beschloss, der Beckasinen-Apotheke einen Besuch abzustatten.
Tagebucheintrag Dezember 1976
Wir werden nicht bestraft. Was uns erteilt wird, sind keine Strafen. Der Uffz erteilt ausschließlich Belohnungen.
Belohnungen.
Wir werden belohnt mit unzähligen Liegestützen und ständigen Jägerpausen. Wir laufen bei Minusgraden um den Kasernenhof oder robben in strömendem Regen durch den Schlamm.
Ich habe nicht gewusst, dass Muskeln und Körperteile so wehtun können. Die Füße sind am schlimmsten. Manchmal kann ich meine Füße noch nicht mal berühren. Die Schmerzen verwandeln sie in Feinde, wenn sie nicht gehorchen, werden sie zum Symbol dafür, dass mein eigener Körper gegen mich arbeitet.
Jeden Morgen erinnern die geschwollenen Fußsohlen daran, was mich am Tag erwartet.
»Ihr seid nicht mehr wert als Hunde«, sagt der Uffz zu uns. »Euch muss beigebracht werden zu gehorchen.«
Aber Hunde werden besser behandelt. Hunde erhalten Lob und Zuspruch, damit sie ein bestimmtes Verhalten erlernen, und nicht ständige körperliche Bestrafungen.
Kaufman hat gestern seine Gasmaske verbummelt. Er wusste, was ihn erwartete.
Eine Belohnung, eine große Belohnung.
Er hat überall gesucht, in immer größerem Umkreis. Am Ende stand er vor seinem Spind und hat fast geheult, während er den Inhalt wohl zum zehnten Mal durchwühlte. Wie ein verängstigter Junge, der ein neues Spielzeug verloren hat. Er hatte solche Panik, dass er nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war.
Das Einzige, was mit Sicherheit feststand, war, dass der Uffz sich etwas richtig Gemeines als »Belohnung« für den Verlust ausdenken würde.
Der Uffz lächelte, als Kaufman ihm schließlich meldete, was passiert war. Es schien fast, als hätte er Mitleid mit ihm. Dann zeigte er auf den Kasernenhof.
»Zwei Runden Krötenmarsch auf Knöcheln.«
Kaufman wurde blass.
Seine Fingerknöchel waren schon durch unzählige Liegestütze
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