Moerderische Sehnsucht
wem sie gehen?«
Eve hielt vor Gia Rossis Apartmenthaus, blieb dann aber einfach sitzen und trommelte mit ihren Fingern auf dem Lenkrad herum. » Guter Einwand. Wir wissen, dass sie es niemandem erzählt haben, zumindest niemandem, der diese Information weitergegeben hat. Aber wie kann er sich so sicher sein, dass niemand etwas davon erfährt?« Sie stieg aus und öffnete die Tür mit ihrem Generalschlüssel. » Zunächst nennt er ihnen sicher einen falschen Namen und eine falsche Adresse. Wenn sie clever oder aus irgendeinem Grund in Sorge sind, werden sie sich vergewissern, ob Name und Adresse richtig sind. Das ist nicht allzu schwer, wenn man ein bisschen Geld und ein paar grundlegende Computerkenntnisse hat. Die elektronischen Ermittler sollen der Sache nachgehen.«
Sie betraten das dreistöckige Haus und marschierten auf die Tür von Rossis im Erdgeschoss gelegener Wohnung zu. » Und denken Sie an sein Profil. Intelligent, reif, beherrscht.«
Mit ihrem Generalschlüssel deaktivierte sie das von Baxter angebrachte Siegel und die Schlösser an der Tür. » Wir wissen, dass er gerne reist, also suchen wir nach jemandem, der wahrscheinlich äußerst weltgewandt und charmant sein kann. Vor allem kennt er seine Opfer.«
Sie traten durch die Tür, Eve blieb stehen und sah sich in der vollgestopften Wohnung um. Es gab einen riesengroßen Fernseher, bemerkte sie, eine kleine Couch, zwei Stühle, Tische mit irgendwelchen hübschen Nippsachen, und auf dem Boden waren Socken und diverse Paare Sportschuhe verstreut. Die elektronischen Geräte waren bereits auf dem Revier.
» Er weiß, was sie mögen«, fuhr sie fort, » was ihnen gefällt. Damit spielt er. Macht sich persönlich mit ihnen vertraut, schaut in ihren Klubs herein, spricht sie wahrscheinlich an. Aber er ist nicht aufdringlich, weil er schließlich nicht auffallen will. Er passt sich an seine Umgebung an. Mr Smooth, Mr Nice Guy, Mr Harmlos.«
Sie trat ans Fenster, blickte auf die Straße, den Bürgersteig, die benachbarten Gebäude. » Er gewinnt ihr Vertrauen. Vielleicht erzählt er von seiner Frau oder von seiner Tochter, etwas, was ein Bild in ihren Köpfen malt. Heuchelt Normalität. Dafür braucht er natürlich Zeit, aber die nimmt er sich gern. Dann kommt er auf die Privatstunden zu sprechen oder bringt sie, was noch geschickter wäre, irgendwie dazu, ihm selber vorzuschlagen, dass er privaten Unterricht bei ihnen nimmt.«
Sie wandte sich wieder ab und ging in das winzige Schlafzimmer, das genauso vollgestopft wie das andere Zimmer war. » Dann hat er sie an der Angel. Sie hat Jalousien an den Fenstern, aber sie sind alt und billig, mit dem richtigen Gerät hätte er sie beobachten können, als sie zuhause war. Dann hätte er gewusst, wann sie für gewöhnlich aufsteht, wie lange sie braucht, um sich für die Arbeit fertig zu machen, wann sie das Haus verlässt. Ich wette, das hat er alles sorgfältig notiert. Denn er betrachtet sein Tun als Wissenschaft. Ich frage mich, wie viele Frauen er ausgesucht, beobachtet und dann wieder verworfen hat. Wie viele Frauen seinen speziellen Anforderungen nicht genügt haben und deshalb noch am Leben sind.«
» Ein unheimlicher Gedanke.«
» Ja.« Eve schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans und wippte auf den Fersen. » Vielleicht ist er immer auf diese oder ähnliche Weise vorgegangen. Vielleicht hatte er jedes Mal vorher persönlichen Kontakt zu seinen Opfern und hat sie dazu gebracht, dass sie von sich aus auf ihn zugekommen sind. Wir werden die alten Fälle noch mal durchgehen und analysieren, ob es so war. Und wir werden die potenziellen Zielpersonen dieser Serie noch einmal durchgehen und überlegen, bei wem eine derartige Kontaktaufnahme möglich ist.«
» Dallas? Wonach suchen wir eigentlich? Ich meine, hier, in ihrer Wohnung.«
» Nach ihr. Nach Gia Rossi. Er kennt sie oder meint, dass er sie kennt. Wollen wir doch mal sehen, ob wir irgendetwas finden, was uns vielleicht weiterbringt.«
*
Eves neue Theorie wurde durch etwas untermauert, was in Rossis Wohnung nicht zu finden war. Wie vollgestopft und wenig aufgeräumt ihr Wohnzimmer auch immer war, herrschte eine tadellose Ordnung in ihren Regalen mit den Fitnessvideos und Musik- CD s.
» Im Ständer mit den Fitnessvideos sind zwei Fächer, und in dem mit den Musik- CD s sind drei Fächer frei. Sie hat das Zeug alphabetisch sortiert, deshalb gehe ich davon aus, dass sie die Cardio- und die Yoga- DVD s mitgenommen hat. Um ganz sicherzugehen,
Weitere Kostenlose Bücher