Moerderische Sehnsucht
müsste, damit umzugehen. » Die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie noch rechtzeitig finden, ist natürlich sehr gering. Es ist nicht unmöglich, zum jetzigen Zeitpunkt aber auch nicht sehr wahrscheinlich.«
» Und die Nächste hat er bereits ins Visier genommen.«
» Er hat sie wahrscheinlich ausgewählt, beobachtet, sich mit ihr bekannt gemacht. Aber jetzt wissen wir mehr über den Kerl. Er ist nicht unfehlbar und er ist allein. Ich habe die besten Leute auf ihn angesetzt. Bald ist es vorbei.« Ihre Miene wurde völlig ausdruckslos, der Ausdruck ihrer Augen wurde kalt.
» Bald ist es vorbei. Aber du bist mir keine Hilfe, wenn du deine Gefühle nicht beiseiteschieben kannst.«
» Das kann ich ganz sicher nicht. Aber ich kann meine Gefühle nutzen. Ich kann tun, was ich tun muss.«
» Okay.«
» Was das Recht einschließt, ab und zu ein bisschen angepisst zu sein!«
» Okay. Aber krieg endlich in deinen Schädel, dass die Verantwortung für diese Taten ganz allein bei diesem Typen liegt. Ganz allein bei ihm. Du kannst nichts dazu. Er allein ist schuld. Selbst wenn seine Mutter ihn misshandelt hat, als er ein kleiner Junge war, liegt die Verantwortung bei ihm. Er hat diesen Weg gewählt. Selbst wenn sein Vater, sein Onkel, seine Tante, seine Cousins und Cousinen aus Toledo ihn jeden Dienstag grün und blau geschlagen haben, liegt die Schuld bei ihm. Das wissen wir beide ganz genau. Wir kennen uns mit diesen Dingen aus. Wir wissen, wenn wir töten – egal, unter welchen Umständen, und gleich, aus welchem Grund –, liegt die Verantwortung dafür bei uns. Im Guten wie im Schlechten entscheiden wir selber, was wir tun.«
Roarke blickte nachdenklich auf seine Tasse, stellte sie auf ihrem Schreibtisch ab. Und sah dem Lieutenant ins Gesicht. » Ich liebe dich, aus unzähligen Gründen.«
» Vielleicht kannst du mir nachher ein paar von diesen Gründen nennen.«
» Einen nenne ich dir gleich. Deine unfehlbare Moral. Deine Solidität und Ehrlichkeit.« Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen sanften Kuss. » Und natürlich auch den wunderbaren Sex, den du zu bieten hast.«
» Hätte ich mir denken sollen, dass du den erwähnst.«
» Und zwar so oft wie möglich. Tja, dann.« Er rieb ihr die Schultern und trat einen Schritt zurück. »Eines kann ich für uns alle tun, und das ist, etwas zu essen zu bestellen.« Er hob warnend einen Finger in die Luft. » Widersprich mir nicht.«
» Ich dachte, dass du meine Stimme gerne hörst. Hör zu, ich will nicht, dass du…«
» Ich dachte an Pizza.«
Sie kniff die Augen zusammen und atmete zischend aus. » Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, Kumpel.«
» Ich kenne eben deine Schwächen, Lieutenant. Und auf der, die ich bestellen werde, liegen sogar jede Menge Scheiben feinster Peperoni.«
» Lass das nur nicht zur Gewohnheit werden. Das Essen, meine ich. Sonst werden sie nämlich gierig.«
» Ich glaube, dein Team ist anständig genug, um ein paar Stücke Pizza zu verdrücken, ohne deshalb gleich korrupt zu werden. Ich werde das Essen bestellen und dann fange ich mit der Angestelltenliste an.«
Nachdem er gegangen war, machte sie die Tür hinter ihm zu. Sie wollte ein bisschen in Ruhe arbeiten, ohne dass jemand sie unterbrach. Nachdenken und theoretisieren, bevor sie abermals dem Lärm und Druck im Konferenzraum ausgeliefert war.
Sie rief die damaligen Akten auf dem Bildschirm auf.
Sie kannte diese Frauen. Kannte ihre Namen, die Gesichter, wusste, woher sie stammten, wo sie gelebt, gearbeitet, studiert hatten.
Abgesehen von ihrem Äußeren eine alles andere als homogene Gruppe. Doch inzwischen gab es eine weitere Gemeinsamkeit.
Corrine, die kellnernde Möchtegern-Schauspielerin, hatte jeden freien Cent in Tanz-, Gesangs- und Schauspielstunden investiert. Das hätte er ausnutzen können. Kommen Sie zum Vorsprechen zu dieser Adresse– welche hungrige, junge Mimin bisse da nicht an? Oder kommen Sie an diesem Tag um diese Uhrzeit zu dieser Adresse und verdienen als Bedienung auf einer privaten Feier ein bisschen dazu.
Sie ging die Namensliste weiter durch. Eine Sekretärin, eine Studentin, die an ihrer Masterarbeit geschrieben hatte, eine Verkäuferin in einem Geschenkeladen, die eine begeisterte Hobbytöpferin gewesen war.
Sie spann den Faden weiter und rief ein paar Leute an, die sie damals schon vernommen hatte, als es plötzlich bei ihr klopfte und Peabody sie bei der Arbeit unterbrach.
Ihre Partnerin hielt ein Stück angebissener Pizza in der Hand. »
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