Mörderische Tage
nicht einfach seinem Schicksal.
Er zog sich immer mehr zurück, sein einziger Freund wurde die Flasche. Ein schlechter, beinahe tödlicher Freund, der ihm erst das Paradies zeigte und ihn dann geradewegs in die Hölle führen wollte.
Hellmer trug noch immer schwer an dieser unseligen Vergangenheit, die zu verarbeiten ihm bis heute nicht gelungen war, so sehr er sich auch anstrengte, weshalb er sich mehr und mehr in sich zurückgezogen hatte, doch er wusste auch, dass er sich nicht ewig verstecken konnte. Er wollte wieder der lebensbejahende und aktive Frank Hellmer sein, der er seit seiner Wiederbegegnung mit Nadine gewesen war. Aber er wollte auch nie wieder auf jene grausame Zeit angesprochen werden, obgleich er wusste, dass er für den Rest seines Lebens gefährdet sein würde, denn der Absturz vor gut zwei Jahren war nicht der erste gewesen, wenn auch der schlimmste. Ihm tat es leid, was er Nadine angetan hatte, ihm tat es leid, dass er seine Kollegen im Stich gelassen hatte, und er hatte heute noch Alpträume, die mit diesem Absturz zu tun hatten, aus denen er schweißgebadet aufwachte. Danach konnte er nur schwer wieder einschlafen, weil die Bilder ihn verfolgten und nicht losließen.
Er hatte sich fest vorgenommen, nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren, und er hoffte und betete, dies auch durchhalten zu können. Er wollte nicht sterben, er war noch viel zu jung, die Kinder zu klein, er hatte eine liebenswerte Frau und noch so viele Pläne. Nein, er hatte nicht vor zu sterben. Die Ärzte hatten ihm jedoch unmissverständlich klargemacht, dass sein nächster Absturz seinen Tod bedeuten könnte, da seine Leber bereits stark angegriffen sei.
Und nun saß Julia neben ihm, einen Tag vor ihrem Urlaub, und zum ersten Mal seit langer Zeit war da wieder so etwas wie Vertrautheit, jene alte Vertrautheit, nach der er sich insgeheim so sehr gesehnt hatte.
»Bei dir gibt's kein >einfach so<«, sagte sie lächelnd. »Komm, spuck's aus, was ist los?«
»Nichts, ich schwöre«, entgegnete er und hob die rechte Hand, auch wenn dies nur die halbe Wahrheit war. Er wollte ihr noch nicht von seinem Besuch bei Lara und Frederik Jung berichten, höchstens den belanglosen Teil, aber ganz sicher nicht das, was Lara ihm bezüglich seiner Intelligenz gesagt hatte, weil er erst selbst damit klarkommen musste.
»Du vermisst mich jetzt schon, hab ich recht?«
»Kann sein. Aber bilde dir nicht zu viel darauf ein, so wichtig bist du nun auch wieder nicht. Wir schmeißen den Laden auch ohne dich.«
»Das bezweifle ich. Aber gut, ich will euch eine Chance geben. Wie war's eigentlich gestern bei Jung? Oder hast du niemanden angetroffen?«
»Doch. Seine Kinder hüten das Haus. Sie konnten mir auch nicht mehr sagen, als dass ihre Eltern in Urlaub sind.«
»Und warum sind die Kinder zu Hause geblieben?«
»Es sind Zwillinge, beide siebzehn, hochbegabt, studieren in den USA und planen, in zwei Jahren mit ihrer Promotion zu beginnen. Sie sind extra aus den Staaten gekommen, um während der Abwesenheit der Eltern das Haus zu hüten. Die Mutter ist sehr reich, sie stammt aus einer Unternehmerfamilie und so weiter und so fort. Jung können wir in drei Wochen sprechen, was sich aber meines Erachtens erübrigt, denn als Täter kommt er ja wohl nicht in Frage.«
»Wieso kommen die beiden extra aus den Staaten, wo sich die Eltern doch locker einen Sicherheitsdienst leisten könnten?«
»Sie wollten ihnen einfach einen Gefallen tun. Hör zu, haken wir Jung ab, der ist nicht da und hat somit definitiv nichts mit den Morden zu tun.«
»Ja, sicher«, sagte Durant und starrte abwesend aus dem Seitenfenster.
»Woran denkst du?«, fragte Hellmer, als sie am Ginnheimer Spargel rechts abbogen und an der Bundesbank vorbeifuhren.
»Woran wohl?«, antwortete sie mit tiefer Resignation in der Stimme. »Hier läuft jemand rum, der uns verspottet und verhöhnt. Die Tote von eben ist doch das beste Beispiel dafür.«
»Wie oft hast du das in den vergangenen Jahren schon gesagt? Julia, wir sind schon von einigen Tätern verhöhnt worden, letztendlich haben wir sie alle geschnappt. Und nicht anders wird es auch diesmal sein. Mit jedem Mord mehr führt er uns näher an sich heran. Und ich schwöre dir, es wird nicht mehr lange dauern, da stehen wir ihm Auge in Auge gegenüber.«
Julia Durant seufzte auf und meinte: »Dein Wort in Gottes Ohr. Ich habe diesmal ein ganz blödes Gefühl, und ich kann nicht einmal sagen, warum. Es ist einfach da. Woher
Weitere Kostenlose Bücher