Mörderische Tage
Truppe beim K11 übrig geblieben ist, ist nun mal Berger. Der Täter will sich mit uns messen, das ist meine Überzeugung.«
»Und wieso glaubst du das?«
»Julia, muss ich mich andauernd wiederholen? Mehrere Faktoren sprechen dafür. Gernot war ein begnadeter Schachspieler, der es laut Berger mit der Weltelite hätte aufnehmen können. Bei unserem Mann dürfte es ähnlich sein. Hochintelligent, in vielerlei Hinsicht begabt, und ich verwette meinen Arsch darauf, dass er ein grandioser Schachspieler ist.«
»Das bringt uns aber nicht viel weiter, das ist dir hoffentlich klar.«
»Ja«, antwortete er knapp.
»Du hast doch noch irgendwas in der Hinterhand, das spüre ich«, sagte Durant und sah Hellmer von der Seite an.
»Was soll ich schon in der Hinterhand haben? Ich mach mir halt so meine Gedanken, mehr nicht.«
»Und dürfte ich vielleicht erfahren, was so deine Gedanken sind?«
»Noch nicht, ist zu unausgegoren. Und jetzt hör auf, mir Fragen zu stellen, auf die ich keine Antworten habe.«
»Okay. Aber warum wechselt er mit einem Mal von Gernot zu einem anderen Täter über?«
Es entstand eine Pause, während sie an einer Ampel standen, bis Hellmer antwortete: »Wer sagt denn, dass er nicht schon längst einen anderen Täter kopiert hat? Die Morde an Weiß und Peters, das waren eindeutig Kopien von Gernots Morden. Ich kann mich aber nicht erinnern, in der Akte irgendetwas davon gelesen zu haben, dass Gernot an einem seiner Opfer etwas Ähnliches wie an der Schweigert vollzogen hat. Wir sollten nachprüfen, ob es bundesweit innerhalb der letzten zwanzig Jahre Fälle gegeben hat, die denen der Schweigert ähnelten.«
»Das sollen die andern machen. Wir haben den kompletten Vorgang Gernot erst heute auf den Tisch gekriegt, und das auch nur, weil Peter und Doris diesen Schwarz auseinandergenommen haben. Angenommen, in den Akten steht etwas von Isolationshaft? Angenommen, Gernot hat bei seinen Opfern Ähnliches probiert? Vielleicht ist es Berger nur entfallend schließlich liegt die Sache schon eine halbe Ewigkeit zurück.«
»Einverstanden. Aber Fakt ist doch, dass er spätestens mit unserer unbekannten Toten einen Fall kopiert, den unsere Abteilung bearbeitet hat, an vorderster Front du und ich.«
»Und?«
»Nichts und. Aber von einem bin ich überzeugt: Er wird nicht aufhören, denn er hat gerade erst begonnen. Und er hat die Schlagzahl mächtig erhöht. Und das, liebe Julia, bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen.«
»Nicht nur dir.« Und nach einer kurzen Pause und einem nachdenklichen Stirnrunzeln fügte sie leise hinzu: »Du hast mich lange nicht mehr liebe Julia genannt. Womit hab ich das verdient?«
»Einfach so«, antwortete er ausweichend, obwohl er eine Antwort gehabt hätte. Ihm tat es leid, dass er sich in den letzten Monaten ihr gegenüber so abweisend benommen hatte, aber er hatte Probleme, seine Schwächen einzugestehen, obwohl gerade Julia ihm in seiner schwersten Zeit so geholfen hatte. Er hatte sich lange Zeit geschämt, hatte Mühe gehabt, den andern in seiner Abteilung in die Augen zu sehen, wollte nie wieder auf diese leidige und fast todbringende Erfahrung angesprochen werden, zu sehr litt er noch heute darunter. Selbst mit Nadine redete er nicht darüber, nur wenn sie ihn direkt darauf ansprach. Er schämte sich bis heute für bestimmte Vorkommnisse, an die er sich nicht mehr erinnern konnte, selbst wenn andere ihm davon berichteten. Er wusste nicht mehr, wie er in einem Hotel in Höchst eingecheckt und sich fast zu Tode gesoffen hatte, wie die Kollegen ihn nachts in letzter Sekunde gerettet hatten. Ihm fehlten ganze Tage in seinem Leben.
Das Schlimme war, dass er nicht einmal genau wusste, warum er zur Flasche gegriffen hatte. Sicher, seine Affäre, das schlechte Gewissen Nadine gegenüber, seine Unfähigkeit, von der verbotenen Frucht in Gestalt der anderen Frau zu lassen. Allmählich hatte er seinen Alkoholkonsum gesteigert, bis er schließlich bei drei bis vier Flaschen Wodka am Tag angelangt war, er nicht mehr klar denken konnte, vieles, was mit seiner Arbeit zu tun hatte, wie ausgeblendet war und Nadine nicht wusste, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Sie war sogar schon so weit gewesen, ihre Sachen zu packen, die Kinder zu nehmen und abzuhauen. Dass sie es nicht tat, zeugte von ihrer Größe, aber auch von ihrer Liebe zu ihm. Nadine, Julia, Peter, Doris und auch Berger, keiner wusste mehr mit ihm umzugehen, dennoch kämpften sie um ihn und überließen ihn
Weitere Kostenlose Bücher