Mörderische Tage
trudeln bald ein. Es kann doch nicht so lange dauern, ein paar Digitalfotos auszudrucken«, entgegnete sie ungehalten nach einem Blick zur Uhr.
»Sei doch nicht so ungeduldig.« Hellmer überflog die Berichte zu den einzelnen Vermisstenfällen. Er nickte ein paarmal und meinte schließlich mit einem gewissen Triumph in der Stimme, als hätte er gerade den Stein der Weisen gefunden: »Wir können mindestens einunddreißig Personen ausschließen. Sie haben Abschiedsbriefe hinterlassen, in denen sie entweder ihren Selbstmord ankündigten oder sich einer Straftat bezichtigten und deshalb untergetaucht sind. Blieben also noch siebzehn, von denen wir nicht wissen, was aus ihnen geworden ist. Bei den Kindern glaube ich kaum, dass unser Mann etwas damit zu tun hat. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er sich an Jugendliche ranmacht. Bisher hatten wir es nur mit Erwachsenen zu tun. Also fallen noch mal zehn weg …«
»Stopp, stopp, nicht so schnell! Bei den Kindern stimme ich dir zu, bei den Jugendlichen nur bedingt. Wie viele Jugendliche haben laut Bericht ihren Suizid angekündigt?«
»Zwei Mädchen. Eins davon hat es durchgezogen, das andere ist reumütig wieder nach Hause zurückgekehrt.«
»Okay. Aber schau dir doch mal die heutigen Mädchen an, da sehen manche Fünfzehnjährige wie zwanzig oder älter aus.«
»Schon, aber …«
»Und er wird auch nicht vorher fragen, wie alt die Person ist, die er in seine Gewalt bringen möchte. Wenn sein Vorgehen dem von Gernot gleicht, dann schnappt er sich das Opfer und stellt erst hinterher Fragen. Es ist ihm gleich, wie alt dieses Opfer ist, Hauptsache, es passt in sein Beuteschema. Und mindestens ebenso wichtig für ihn ist, dass er uns ärgern kann …«
»Ich glaube nicht, dass Letzteres für ihn so wichtig ist, sonst hätte er längst den direkten Kontakt zu uns gesucht.«
»Hat er doch mit der Toten heute Morgen. Das ist wie ein Schreiben, nur ohne Absender und Poststempel. Ich bin gespannt, was ihr herausfindet, während ich es mir bei Susanne gutgehen lasse. Und ich werde garantiert nicht anrufen und mich nach dem Stand der Dinge erkundigen.«
»Wann geht dein Flieger?«
»Samstag.«
»Das weiß ich. Die Uhrzeit.«
»Ich muss um sechzehn Uhr am Flughafen sein.«
»Gut. Da du eine Frau bist und ich deshalb annehme, dass du einiges an Gepäck hast, und ich dir die Taxikosten ersparen möchte, biete ich mich hiermit an, dich zum Flughafen zu chauffieren.«
»Das ist aber wirklich nicht nötig, ich …«
»Keine Widerrede. Ich will nur sichergehen, dass du auch tatsächlich fliegst. Sieh es als Kontrollmaßnahme.«
»Ich bin doch kein kleines Kind mehr«, begehrte Durant auf, doch Hellmer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Das eben war nur ein Witz. He, ich hab dich in den vergangenen Jahren schon etliche Male zum Flughafen gebracht. Ich wollte diese alte Tradition einfach wieder aufleben lassen. Sag ja.«
»Meinetwegen. Um halb vier bei mir?«
»Bestens.«
»Aber wehe, du verspätest dich, und ich krieg meinen Flieger nicht mehr«, sagte Durant grinsend.
»Ich mich verspäten? Nicht am Samstag.«
»Ich nehm dich beim Wort.«
Donnerstag, 11.05 Uhr
Die Fotos vom Fundort der Toten waren eingetroffen. Durant hatte daraufhin sofort bei Andrea Sievers angerufen und sie gefragt, ob sie etwas Genaueres zum Tod der noch unbekannten jungen Frau sagen könne. Sie stellte das Telefon laut, damit ihre Kollegen mithören konnten.
»Noch nicht viel, da wir gerade erst mit der Obduktion begonnen haben. Allerdings weist sie recht merkwürdige Würgemale am Hals auf, die weder durch Hände noch durch ein Seil oder ein anderes herkömmliches Tatwerkzeug entstanden sein können. Es ist möglich, dass es sich um eine Kette gehandelt hat. Mit der äußeren Leichenschau sind wir so weit durch, außer der Nadel und den abgetrennten Brustwarzen ist nichts Auffälliges zu erkennen.«
»Moment, abgetrennt oder abgebissen?«
»Nach erstem Erkenntnisstand mit Hilfe eines Werkzeugs fein säuberlich abgetrennt, Bissspuren sind keine zu erkennen. Warum?«
»Weil unser Täter damals die Brustwarzen abgebissen hat, der hat richtig tiefe Wunden hinterlassen. Was ist mit Hämatomen?«
»Nein, keine Spuren von Misshandlung oder Missbrauch.«
»Irgendwelche anderen Auffälligkeiten wie Kratzwunden, Nadeleinstiche, Schnitte?«
»Bis auf die abgetrennten Brustwarzen und die Nadel in den Schamlippen ist sie äußerlich unversehrt. Das Abtrennen der Brustwarzen
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